IMPRO 2014: Komische Liebe – zwei Mal “Romantic Comedy'” (mit Video)

von Stephan Holzapfel:

Impro 2014Zwei völlig unterschiedliche Festivalensembles brachten am Dienstag und Mittwoch (25.3./26.3.) eine “romantische Komödie” im Hollywoodstil auf die Bühne. Es war spannend zu sehen, wie verschieden die beiden Teams sehr komische Szenen kreierten und doch am selben Punkt scheiterten.

Das Dienstag-Team drängte sich mit 10 (!) Spielern auf die kleine Bühne des Ratibortheaters. Dass dies nicht in heillosem Chaos endete, ist der großen Professionalität der Spieler zu verdanken, die selbst bei sechs Spielern in drei Gruppen auf der Bühne keinerlei Fokusprobleme bekamen. Beeindruckend! Klar, dass sich hier nicht jeder in den Vordergrund spielen konnte. Lucien Bourjeily (Beirut) wurde am Anfang als Patient auf die Bühne getragen (einzige Publikumsvorgabe: Krankenhaus) und war danach nicht mehr gesehen. Roland Peter (Bern) spielte ausschließlich Tiere, aber mit Hingabe.

Kanadisch-amerikanisches Tempospiel

Das Ensemble ließ keine Sekunde lang Langeweile aufkommen und agierte
sehr temporeich. Tess Degenstein (Toronto) spielte die weibliche Hauptrolle ungemein lebendig und mit überdurchschnittlich differenziertem emotionalen Ausdruck. Kevin Gillese (Atlanta) gab ihr als komplett empathiebefreiter Macho-Freund reichlich Grund zu leiden. Großartig wie er im Moment des Verlassenwerdens scheinbar zum ersten Mal weich wird und weint, nur um sofort wieder seine komplette Oberflächlichkeit zu bestätigen: “It really breaks my heart, because you are so hot!” Vielleicht wären ein, zwei positive Szenen zwischen den beiden aber noch besser gewesen. Die Protagonistin hätte dann ambivalenter sein können. Nur wenn für etwas Neues auch ein Preis bezahlt wird, hat die Entscheidung schließlich echte Bedeutung. So war es nur folgerichtig, dass die Krankenschwester, die kein Blut sehen kann, am Ende den nerdigen, aber sensiblen Tierarzt küsst. Und zwar auf den Mund, was das Publikum jedes Mal zum Jubeln brachte.

Dass geküsst wurde, war allerdings mehr der Form geschuldet als dem gespielten Moment. Zwar schilderte Tobias Zilliacus (Helsinki) als männliche Hauptfigur eindrücklich den Grund, warum das mit den Frauen bei ihm nicht klappt (ein High-School-Abschlussball-Trauma). Und tapfer redeten seine Freunde auf ihn ein, endlich neuen Mut zu fassen. Doch echtes Interesse an der hübschen Fremden zeigte er im Grunde nicht, geschweige denn eine Gleichzeitigkeit von Verlangen und Angst, die theatralisch sehr reizvoll hätte gewesen sein können. Das verbreitete Problem des Improtheaters – zu viel reden, zu wenig zeigen – konnte auch hier nicht ganz vermieden werden.

Das Format ist wichtiger als das Gefühl

Mit der Liebe Müh’ hatte auch die zweite Gruppe am Mittwoch Abend. Zwar gelang es ihr sogar konsequenter, das Konzept umzusetzen: die beiden Liebenden sollten aus möglichst unterschiedlichen Milieus kommen und sich bei der ersten Begegnung unsympathisch finden. Vielleicht kann man es sogar mutig nennen, dass Simone Schwegler (Zürich) als weibliche Hauptrolle eine “Ich bin keine Rassistin, aber…”-Figur spielte, die sogar beim Essen nur “Nationales” akzeptiert. Nachdem sie aber den im Container nach Amerika gekommenen José (Jeron Dewulf, Antwerpen) als “dumm” bezeichnet und sich anschließend fadenscheinig herausgeredet hatte, war ihre Figur doch arg unsympathisch und der Weg zur Liebe ziemlich weit geworden. Doch das Format kannte keine Gnade: Musiker Gilly Alfeo (Bonn) stimmte ein Liebeslied zur Ziehharmonika an und dann wurde sich eben verliebt, weil es nun mal an der Reihe war.

Nicht wirklich gelungen, aber dennoch spannend, weil an diesem Abend typische Langformfragen deutlich wurden: wie unsympathisch darf ein Protagonist sein? Wann schadet eine festgelegte Form dem Spielen aus dem Moment heraus? Und – wie verhindern wir, dass das Spiel zäh und vorhersehbar wird, weil die Handlung allzu schrittchenweise entwickelt wird?

Wenn ein Fehler die Szene verbessert

Ja, die geschmeidige Dynamik der Dienstagsgruppe hatte das Mittwochsteam (diesmal nur zu siebt) nicht zu bieten. Dennoch gelangen den Spielern eine ganze Reihe sehr komischer Szenen und schöner Momente. Eugen Gerein (St. Petersburg/Heidelberg) reagierte z.B. nicht auf eine allzu plötzlich angesetzte Ohrfeige seiner Mitspielerin. Doch statt sich bei den nächsten Versuchen nun doch noch treffen zu lassen, machte er aus dem anfänglichen Missverständnis eine bewusste Entscheidung und zuckte bei jedem Schlag nur die Achseln. Um dann am Ende überraschend selber zuzuschlagen. So wurde in bester Impromanier die Szene besser als von irgendjemand geplant, weil die Hilflosigkeit der verlassenen Frau so noch deutlicher wurde.

Interessant, dass beide Gruppen – obwohl im Konzept nicht festgelegt – der Frau einen Arschloch-Partner an die Seite stellten, während der Mann anfangs solo war und von Freunden unterstützt wurde.

Als einzige Spielerin an beiden Abenden dabei war Inbal Lori (Tel Aviv), deren Stärken am Mittwoch wegen der geringeren Spielerzahl noch deutlicher wurden: stets fügte sie sich sensibel ein und setzte immer wieder komische und kraftvolle Akzente.

Und auch die im emotionalen Ausdruck nicht so überzeugende Hauptdarstellerin hatte im dramatischen Finale einen großartigen Auftritt, als sie minutenlang dynamisch über die Bühne spurtete, um ihren José am Flughafen (der Ort war die einzige Publikumsvorgabe) in letzter Sekunde vor der Abschiebung zu bewahren. Großer Applaus.

Viel Potential

Es ist leicht, die hier angesprochenen Schwächen zu beschreiben. Aus eigener Erfahrung muss ich zugestehen, dass es unendlich viel schwerer ist, sie auf der Bühne zu vermeiden. Dass die beiden zusammengewürfelten Ensembles nach nur zwei Tagen Workshop so viel Interessantes auf die Bühne brachten, dass sie frei aus dem Spiel heraus die beiden Protagonisten fanden und sich auch sonst nie ernsthaft in den Storyfäden verhedderten, zeigt die Klasse der Spieler. Würde weiter an diesem Format gearbeitet, würden sicher noch viel überzeugendere Shows entstehen.

Das Video zeigt die komplette Mittwochsshow. Für einen kurzen Eindruck empfehle ich die komische, aber auch bedrückende Szene in der Sprachschule (17:34) Die Trennungsszene mit der Ohrfeige beginnt bei 27:11.

Zwackelmann