IMPRO 2013: Die Improwelt hat viel zu bieten – die Eröffnung

von Manuela Hoffmann:

Donnerstag, den 15.03.2013, 20 Uhr; Der Saal des Theaters „Komödie am Kurfürstendamm“  ist brechend voll. Kein Wunder, denn an diesem Abend, der als Auftakt des Improfestivals 2013 fungierte, gaben sich die Profis der fast gesammten „Improwelt“ die Ehre. Beinahe alle Teilnehmer des Festivals waren auf der Bühne präsent – sie kommen aus 12 Ländern – und stellten dem begeisterten Publikum ihre Show-Formate vor, die bis zum 24.03.2013 auf diversen Bühnen Berlins zu sehen sein werden. Durch den Abend führte Christoph Jungmann (Die Gorillas), der die Moderation billingual auf englisch und deutsch machte. Die musikalische Begleitung des Abends sicherten Felix Raffel und Harry Hawai (Die Gorillas) sowie Nigel Rajaratnam von Improv Comedy Mumbai (Indien), der mit seiner Truppe für Bollywood-Flair sorgte.

Die Vorstellungsrunde startete  „The National Theatre of the World“ aus Toronto (Kanada), eine Gruppe, die beim Improvestival 2012 zum esten Mal in Berlin zu sehen war. Matt Baram und Naomi Snieckus gaben einen Vorgeschmack der Show „Impromptu Splendor“, in der Geschichten im Stil eines Autorer präsentiert werden, diesem Jahr werden das Woody Allen und Tennessee Williams sein.

Den Bollywood-Style brachte die indische Gruppe „Improv Comedy Mumbai“ nach Berlin, die durch Nigel Rajaratnam, Mukul Chadda, Kaneez Surka, Daylynn D´Souza und Dhruv Lohumi vertreten wird. An diesem Abend holten die Akteure zuerst die übliche Vorgaben für eine Improszene vom Publikum, die dann in eine typische Bollywood-Filmszene eingefädelt wurde. Dies mündete natürlich in eine gengretypische Tanzeinlage, an der fast alle Künstler beteiligt waren. Die spontane Mitwirkung aller auf der Bühne, die sich an diesem Abend wiederholen sollte, zeigt wirkliche Impro-Brillianz.

Szene einer Ehe mit Adoptivsohn, Foto: Manuela Hoffmann
Szene einer Ehe mit Adoptivsohn, Foto: Manuela Hoffmann

„Gespielt wird, was auf den Tisch kommt“ heisst ein Format, das auch worwörlich zu nehmen ist, da es Kulinarisches und Künstlerisches vereint. Diese interessante Show wird im Rahmen des Festivals in der Kreuzberger Markthalle Neun gespielt. Die Zuschauer nennen die Zutaten, sowohl für den kulinarisch live improviesierenden Koch als auch für die künstlerich tätigen Improspieler. Das Publikum der Markhalle Neun darf also mit allen Sinnen geniessen. In der „Komödie“ kamen allerdings nur verbale Vorgaben – Sauerbraten, Klöse und Soße – auf den Tisch, die dann geschickt in eine „Szene einer Ehe mit Adoptivsohn“ von den Gorillas (Billa Christie, Michael Wolf, Björn Harras) integriert wurden. Man darf also gespannt sein auf diese Live-Show, in der der Koch der Markthalle Neun und die Spieler sich geegnseitig inspiereren.

Nächster an der Reihe war der Wahl-Österreicher Jacob Banigan vom Grazer Theater im Bahnhof, der dieses Jahr sein erstes Soloprogramm „Game of Death“ präsentierte.  Seine charmante Grazer Kollegin Bea Brunschko half ihm dabei als Tarokarten-Fee, die in diesem „Figuren-Spiel“ wesentliche Rolle spielten. Die Karten mit den Symbolen tragen Nummer, die das Publikum sagen darf. Noch eine interessante Möglichkeit, das Publikum in das Geschehen auf der Bühne bestimmen zu lassen. Jacob Banigan, der mit Jim Libby als Duo Rocket Sugar Factory unterwegs ist, schlüpfte in dieser Soloshow in diverse Figuren und das blitzschnell, genau und autentisch.

Das nächste Format hatte wieder mit der Kreuzberger Markthalle Neun zu tun. Dort wird eine besondere Show gespielt, welche die Zuschauer auf eine historische Reise in die Vergangenheit Kreuzbergs nehmen wird. Bespielt werden drei Epochen: die Goldenen Zwanziger, die Blüte-Zeit der Berliner Markthallen, das Jahr 1948 in der geteilten Stadt, wo die Rosinenbomber das Überleben der Menschen ermöglichten. Und die Erreignisse im März 1981, als die Auseinandersetzung um die besetzten Häuser das Leben vieler Kreuzberger bestimmte. Für dieses Format hat man sich wirklich „ins Zeug gelegt“. Die Macher haben interessante Kostüme angekündigt – klar in den Zwanzigern kleideteten sich vor allem die Frauen ganz, ganz anders. Und das Publikum wird womöglich eine wichtige Rolle in der Vorstellung spielen – als Protestler gegen die Haus-Räumer, die auch Tumulte nicht scheuen. Aber an diesem Abend konnte man natürlich keine Tumulte inszenieren – in dem vornehmen Haus am Ku´damm. Deswegen gab es nur Kostproben aus dem Jahre 1926 und 1948.

Da das Jahr 1926 vom Thema Stoff-Windel-Waschen beherrscht war, besang es Kirsten Sprick (hidden shakespeare Hamburg) virtuos. Und zu der Vorgabe Banane gab´s doch einen kleinem spontanen Kampf auf der Bühne, natürlich um die Banane, die damals eine Rarität war. Es kann also gut sein, dass man in der Markthalle Neun real als Schwarzhändler um eine Banane, ein Stück Brot oder Bund Karotten kämpfen darf. Wer nach der Mauerfall geboren wurde, kann so richtig die harte Zeit nach dem Krieg an eigenem Leib erfahren. Also, nichts wie hin!

Danach wurde ein kurzes Zischenspiel aus der Abteilung „slow impro“ präsentiert, gespielt von zwei Franzosen Marco Mayerl aus Lyon (Compagne Combats Absurdes) und Bruno Dreyfurst, Vertreter des Strasbourger „inédit théatre“. Es war eine willkomene Abwechslung, da bis zu diesem Moment die Formate regelrecht „durchgescheucht“ wurden. Die französischen Spieler haben anfänglich auf Englisch gesprochen, später aber auf französisch. Diese sprachliche Diskrepanz hatte meines Erachtens auch etwas Gutes an sich. Da das Publikum an diesem Abend überwiegend vom „Fach“ war, konnte es vielleicht auch intuitiv aus dieser Szene ihre Schlüsse ziehen ohne den Dialog direkt zu verstehen.

Das Musik-Fieber und daraus resultierende diverse „Conteste“ feiern auch Einzug in die Improwelt. So gibt´s auch beim Improfestival 2013 einen „Improvision Song Contest“. Nur anders als in den bekannten Musikwettbewerben bestimmt das Publikum, was gesungen wird. So auch an diesem Abend wünschte es sich Jazz-, Reggae- und Death-Metal-Darbietungen zum Thema Papst Franziskus und Religion. Dass auch dieses Thema eine gute Vorlage für ein passables Jazz-Impro sein kann, bewiesen Davide Arcuri (Teatribu Mailand), und Alieke van der Wijk (Troje Amsterdam). Die Death-Metal-Töne zum selben Thema kamen von der Kanadierin Kirsten Rasmussen (Montreal Improv Theatre Toronto), die Henk van der Steen (Troje Amsterdam) dabei tatkräftig unterstützte: Death-Metal-Niveaugerecht steckte er der Sängerin das Micro fast in den Hals. Und die Reggae-Variante des Themas kam von Henriette Konschill (Drama Light Mannheim), die von Billa Christie und Bruno Dreyfurst unterstütz wurde. An dieser Stelle sein anzumerken, dass man bei allen Improsängern eine solide Stimmbildung erkennen konnte.

Death-Metal-Künstler leben gefährlich – Kirsten Rasmussen und Henk van der Steen. Foto: Manuela Hoffmann
Death-Metal-Künstler leben gefährlich – Kirsten Rasmussen und Henk van der Steen. Foto: Manuela Hoffmann

Bei dieser Festivaleröffnung durfte der „Impro-Dauerbrenner“ , also das Kanadische Duo Crumbs – Lee White und Steve Sim aus Winnipeg  – nicht fehlen. Dieses Mal überraschte Lee White nicht nur mit einem neuen Format „The IQ Improv Challenge“ und einem Vollbart mit dem „wilden Charme der 68er“. Dieser Haarwuchs im Gesicht passte auch gut zu seiner Rolle im Format des Professors Spontaneous, der den improvieserenden Spielern plötzlich herausfordernde Fragen stellt, natürlich zum Thema des Publikums. Eine echte Herausforderung für alle Beteiligten.

Prof. Spontaneous (Lee White links) stellt herausfordernde Fragen an die Improspieler. Jacob Banigan (Mitte) und seine Grazer Kollegin Bea Brunschko.Foto: Manuela Hoffmann
Prof. Spontaneous (Lee White links) stellt herausfordernde Fragen an die Improspieler. Jacob Banigan (Mitte) und seine Grazer Kollegin Bea Brunschko.Foto: Manuela Hoffmann

Die danach folgende „Weiberschow“, also femminine Improkunst war nur ein übliches „Square“ mit vier Spielerinen, und einfach zu kurz, um die ganze Bandbreite der femininen Improkunst hervorstechen zu lassen. Ich hoffe sehr, dass die „Weibershow-Darstellerinen“  (Frauen aus acht Ländern) am kommenden Mittwoch im Mehringhoftheater ihr Handwerk zeigen werden!

Die zweite Show der Crumbs „Your 15 minutes of fame“, die im letzten Jahr ihre Premiere feierte und auf der „Yes, and-Filosofie“ basiert, ist auch ein bewährtes Mittel, um die Impro-Neulinge sofort in das Spiel mit den Impro-Profis einzubinden. So auch an diesem Abend. Schnell wurde ein absoluter Improanfänger ermittelt und in das Spiel nach diesem Prinzip einbezogen.

Der unterhaltsame aber auch ein bisschen zu dicht mit Formaten „gepackte“  Abend ging mit einer Opern-Szene zu Ende. Dass  sogar eine Arie zum Thema abgeschnittene Nase möglich ist, bezeugte die Qualität des ganzen Ensembles. Als Zugabe gab´s noch eine „freeze-and-change“-Szene zum Thema Rasenmähen.

Thomas Jäkel
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