Improvisionäre – ein Stummfilm mit Risiken

von Thomas Jäkel:

BERLIN – Am 6. September 2012 improvisierten die Improvisionäre auf der Bühne der Berliner Brotfabrik den Dreh eines Stummfilms. Das Publikum amüsierte sich bei einem trotz aller Widrigkeiten stark gespielten Abend, denn ohne Risiko keine Improvisation.

Das Format der Improvisionäre hat einen klaren Ablauf: Nach Anmoderation und kurzer Aufwärmung geht es an das Einrichten der Figuren. Dafür nahmen sich die vier Spieler genügend Zeit, um vielgestaltige Charaktäre zu erfragen und sich in die Haltungen hineinzuspielen. So wurden für den zu drehenden Stumfilm drei Schauspieler und ein Regisseur gesucht.

Los ging es mit Kevin, der die Rolle des narzistischen Schauspielers Jack de Ripper mit sehr rauchiger Stimmer übernahm. Die Menge an abgefragten Eigenschaften wurden während der Einrichtung noch gut ausgespielt, so dass wir auch gleich sein Hobby “Briefmarken auf Briefe steppen” sehen durften. Später aber spielte diese Leidenschaft keine Rolle mehr. Zum einen war dies sicher der Menge der Vorgaben geschuldet, zum anderen aber auch gut, denn ob dieses Hobby wirklich der Story geholfen hätte, steht zu bezweifeln.

Die weiteren Charaktäre waren der von Philipp gespielte näselnde Regisseur Jospeh Teen, der stets in der Haltung eines römischen Togaträgers über das Filmset wandelte, der von Marc verkörperte Schauspieler Salvatore, der mit Zitterhand und Fistelstimme geschlagen war (was seiner Kariere beim Stummfilm nicht schadete) sowie die junge Schauspielerin Scarlett Müller, die ihr Lispeln mit erotischer Stimme und verführerischem Hüftschwung aufzuwiegen wußte.

Jeder hat doch ein Geheimnis

Für die Spieler und das Publikum sehr unterhaltsam waren die kurzen Blicke in das Leben der Charaktäre. Mit einer Szenen nach der Einrichtung sollte ein Geheimnis offenbart werden, was eine großartige Idee ist, denn so bekommen die Figuren gleich eine emotionale Tiefe. Spaß machte hier die zeitliche Dimension, denn alle Szenen sowie auch der anschließende Dreh sollten in den 20er und 30er Jahren spielten. So bekam Alex Anasuyas Szene zu Scarletts Geheimnis mit einer roten Ampel, die ihr den Weg zu ihrem Bus nach Hollywood versperrte, eine köstliche Absurdität (vielleicht war es sogar die erste Ampel in ihrer Heimat).

Anschließend wurden die letzten Vorgaben des Abends eingeholt. Wo sollte der Stumfilmdreh stattfinden (an einem Wasserfall in den Schweizer Alpen), welche Genre sollte der Stummfilm haben (Sience Fiction) und wie heißen (2010 – Oddysee unterm Wasserfall). Und WENN dies eine Theaterkritik wäre, würde ich nun Dramturgie und Regie fragen, warum wir nach diesen Vorgaben einen recht unprofessionellen Dreh zu einem schlechten Alien-landet-entführt-Mädchen-und- tötet-sich-selbst-oder-wird-getötet-B-Movie sehen mußten. Aber dies war waschechtes Improtheater und die Improvisionäre haben die Latte hoch gelegt und sind mit vollem Sportsgeist gescheitert.

Deshalb war es gute Unterhaltung

Die Geschichte zum Stummfilmdreh war dürftig, aber die Energie, welche die vier Improvisionäre in die Umsetzung der fast schon tanztheaterhaften Stummfilmszenen setzten, war ansteckend – dies war auch der konzentrierten Begleitung durch Kai am Klavier zu verdanken. Schön anzusehen waren ebenfalls die Brüche zu den Drehpausen, in denen der französische Kameramann mit Digitaler Neuzeitausrüstung mit einbezogen wurde. Am Ende ließen sie dann ganz ab vom Versuch, hier eine Geschichte zusammenzuziehen und drehten einfach fertig – letzte Szene und Ende. Alle zufrieden.

Für mich war es ein gelungener Abend, denn ich habe schon etliche Improkonzepte scheitern sehen. Aber hier war kein Moment, an dem ich hinausschleichen wollte oder auf ein Erbarmen des Beleuchters hoffte. Hier wurde mit Anstand, Mut und Engergie gekämpft, das Ensemble schien geschlossen und deshalb war es gute Unterhaltung. Für mich bleibt nur die Frage: wie muss es erst sein, wenn das Konzept aufgeht?

Der Mittschnitt des Abends landet aber auch nicht einfach im Archiv, sondern wird als “best-of” der Improvisionäre Stummfilm-Show im Rahmen von KinoBerlino im Kino Moviemento am 8.9.1012 laufen. Mehr Infos unter: kinoberlino.tumblr.com/kinokabaret

Update: 9.9.2012:
Soeben erschien der aus dem Material des Abends geschnitte Stummfilm auf Youtube.

Thomas Jäkel
Follow