Impro seit der Schulzeit: Interview mit Sonja Vilč vom Kolektiv Narobov

Von Ronald Pabst

Sonja Vilc

Sonja Vilč ist Mitglied des Kolektiv Narobov; die Gruppe aus Slowenien wurde für ihre Arbeit schon mit zahlreichen internatioalen Preisen ausgezeichnet – Publikumspreis für die Performance “Call” (Improvaganza Festival, Edmonton, Kanada; Impronale, Halle/Saale), Ježek-Preis für das interaktive Hörspiel “Big Sister”, Beste Langform für die Performance “De.Kons” (Impronale, Halle/Saale). Die Narobovs gastierten in den sechs Jahren ihres Bestehens bereits auf zahlreichen Bühnen in Europa (u.a. in Amsterdam, Antwerpen, Berlin, Bremen, Graz, Köln, Lyon, Stockholm, Skopje, Wien, Zürich) sowie Nordamerika (Edmonton, Portland, Seattle, Vancouver, Victoria). Auch als Trainer und Workshopleiter treten sie in Erscheinung. Im Nachklang zum 6. Kölner ImproFestival sprach Sonja über ihr Verständnis von Impro-Theater, ihre Projekte und gab Tipps fürs Spielen.

 

Impro-News.de: Hallo Sonja. Du hast ja schon in vielen Ländern auf der Bühne gestanden. Wie reagieren denn die Menschen auf deine Shows?

Sonja Vilč: Ich merke, dass es andere Gewohnheiten gibt. Menschen in den verschiedenen Ländern lachen an ganz unterschiedlichen Stellen. Im Vergleich zu klassischen Theatern ist das Impro-Publikum viel lockerer. Die Leute sind ja Teil der Show; wenn das Publikum gut drauf ist, läuft die Show besser. In Deutschland müssen wir nach den Shows meist mehrmals auf die Bühne, um den Applaus ganz mitzunehmen (lacht).

Gibt es denn Unterschiede in der Art, wie Impro gespielt wird?

Die Gruppen „erziehen“ ihr Publikum. Wenn eine Gruppe immer klassischen Theatersport bietet, dann erwarten ihre Zuschauer genau das. Wer es sich zutraut, eine breitere Palette zu zeigen, der wird ein Publikum finden, das dafür offen ist. Genauso entscheidend ist der Ort, an dem die Vorstellung stattfindet: In einem Comedy-Club entstehen andere Shows als in einem Experimentaltheater.

Wie hat dir denn das Festival in Köln gefallen?

Das Festival hat viel Spaß gemacht; aber auch viel Arbeit. Ich habe zusammen mit Maja eine Narobov-Show gespielt und beim Improstern mitgemacht. Zudem habe ich drei Tage lang einen Workshop geleitet. Außerdem habe ich mir noch zwei Shows angesehen. Und das alles in nur 5 Tagen. Es war sehr abwechslungsreich. Unsere Show war in einem kleinen Underground-Theater; die Gala um den Improstern war hingegen sehr vornehm.

Wie bist du denn dazu gekommen, Impro-Theater zu spielen?

In der Schule: In Slowenien spielen bereits die vierzehn- bis achtzehnjährigen Schüler; oft gibt es Gruppen, die von Trainern angeleitet werden. Im Theatersport treten verschiedene Schulen gegeneinander an. Diese Auftritte sind natürlich gut besucht; es ist schön, sehr lustig und geht manchmal richtig zu Sache. Dort habe ich Maja (Dekleva Lapajne) und Alenka (Marinič) kennengelernt, die auch beim Kolektiv Narobov mitspielen.

Was genau macht ihr beim Kolektiv Narobov?

Unser Kolektiv besteht aus fünf Mitgliedern. Wir machen ganz unterschiedliche Projekte – nicht nur Impro. So spielen wir zum Beispiel die „Grand Big Tour“. Das ist eine Performance, bei der wir als Stadtführer gewöhnliche Viertel eines Ortes vorstellen. Dabei erzählen wir ein paar Geschichten von dem Ort und arbeiten mit einstudiertem Text – der dann doch wieder an Situation und Zuschauer angepasst wird. Das nächste Mal sind wir mit dieser Show am 13. Mai in Enschede (Niederlande) zu sehen. Im Mai spielen wir auch in Slowenien. Dort machen wir bereits schon das 10. Jahr ein großes Spektakel – eine Art Parodie des European-Song-Contests. Jedes Jahr im Oktober veranstalten wir ein Theaterfestival. Es heißt: „The Naked Stage.“ Wir haben schon viele ganz unterschiedliche Künstler eingeladen: Schauspieler, Tänzer und Musiker. Bei den bisher neun Festivals hatten wir schon 31 Gruppen aus 15 Ländern zu Gast.

Wie seid ihr zu dem Namen gekommen? Was bedeutet er?

Bei der Namensgebung haben wir uns entschieden, auf das Wort „Impro“ zu verzichten: Einerseits passen unsere ganz unterschiedlichen Projekte in die Kategorie „Darstellende Künste“ oder „Live Arts“; andererseits wollen wir keinen Unterschied zwischen „Impro“ und „Theater“ machen. Wir haben erst unter dem Namen „Theater Narobov“ gespielt. Aber wegen unserer Arbeitsweise passt da Wort „Kolektiv“ viel besser. Narobov ist ein Wortspiel. Auf slowenisch klingt es nach „am Rande“ und „nicht richtig“; zugleich klingt das Wort aber wie ein osteuropäischer Theaterexperte; den gibt es aber nicht.

Was ist dein Ziel auf der Bühne?

Ein übergeordnetes Ziel kann ich gar nicht nennen. Das hängt immer vom konkreten Projekt ab. Auf jeden Fall habe ich das Ziel, das jeweilige Konzept ins Leben zu bringen. Ich möchte gute Shows spielen und in dieser Zeit eine spannende Beziehung oder sogar Verbundenheit zwischen den Performern und dem Publikum erreichen.
Was mir auf der Bühne sehr wichtig ist, ist Zwischenräume zu schaffen, in denen aktives Zuschauen stattfinden kann – wo die Zuschauer ihre eigenen Gedankenwelten und Bilder einbringen können. Es ist immer eine Herausforderung, eine Reibung unterschiedlicher “Wahrheiten” und verschiedener Wahrnehmungsebenen hervorzurufen. Das heißt, für die Zuschauer ein Feld zu öffnen, wo sie gleichzeitig mehrere Perspektiven eines Ereignisses erleben können, wo sie eine Verschmelzung von Bildern, Klängen, Sprache erfahren können und einzigartige, unerklärbare Details spüren. Daraus stammt die Kraft nicht nur des Theaters, sondern der Künste im Allgemeinen.
Natürlich mache ich andererseits auch gerne Shows, wo man nur mit purem, trashigem Spaß spielen will. Wobei auch dieser Ansatz durchaus seine eigene Poesie erzeugen kann.

Hast du einen Tipp für Impro-Spieler? So etwas wie eine goldene Regel?

Das ist eine schwere Frage. Vielleicht ist es die: Sei offen und habe selber Spaß an dem, was du auf der Bühne machst.

Was hast du in deinem Kölner Workshop „Rhythmus in Improvisation“ unterrichtet?

In meinem Kurs habe ich vier Möglichkeiten gezeigt, mit denen der Rhythmus einer Szene beeinflusst werden kann. Es sind die Bewegung, die Sprechgeschwindigkeit, die Reaktion auf den Partner und der Abstand zwischen den Beats. Jede davon kann variiert werden: von ganz langsam bis superschnell. Auf der Bühne tendieren Spieler oft dazu, im gleichen Tempo zu agieren. Dabei können sich aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Spieler sehr interessante „Stilwandel“ und schöne, aber auch fesselnd ungewöhnliche Szenen ergeben.