IMPRO 2010 – Inspiration Jazz und der Aufstand der FrauenI

von Thomas:

Wenn plötzlich in einem angesagten Jazzclub drei Frauen auf der Bühne voller Inbrunst singen, dass sie den Jazz töten wollen, dann scheint die Welt auf dem Kopf zu stehen. Aber es war alles im Lot an diesem Montag Abend im vollbesetzten Schlot, in dem es eine Neuauflage des Formats Inspiration Jazz zum internationalen Festival IMPRO 2010 der Gorillas gab. Im letzten Jahr hatte der Pianist und Komponist Rudy Redl die Idee zur Verbindung von Improvisertem Theater und Jazz in einer Show: “Improtheater ist das improvisierte Wort und Jazz der improvisierte Ton.” Also wurde zusammengeführt, was so offensichtlich zusammen gehört. Die positiven Reaktionen des letzten Jahres waren dann der Anlass, das Formt dieses Jahr gleich an zwei Terminen aufzuführen.

Bild von Insparation Jazz auf der Impro 2010
Foto von Michael Flürenbrock

Der Abend bestand jedoch aus zwei einzelnen Teilen, die nicht so recht zusammenpassen wollten. Vor der Pause gab es kurze Improgames, die den internationalen Spielern des Festivalensembles nicht so leicht von der Hand gehen wollten. Der Freeze Tag am Anfang führte zu einigem Mißverständnis, da manche Szenen in Deutsch gespielt wurden, obwohl die Hälfte der Improvisierer es nicht verstanden. Aber die zwei Damen aus Schweden (Camilla Persson und Hellena Lindegren von den Improvements) und Ilan Popko aus Israel (von Lama Alpaka) ließen sich von diesem Umstand nicht einschüchtern und kamen immer wieder auf die Bühne. So auch im gespielten Genre Replay, in dem es eine sehr sehenswerte Verarbeitung nach Beckett gab, die nicht nur aus dem typischen “Warten auf Godot” bestand, sondern mehr existentielle Fragen stellte: da waren offensichtlich Theatermacher am Werk.

Die wirklichen Highlights des ersten Teils waren aber die Songs. Jeder auf der Bühne beherrschte sein Handwerk sehr gut und so geriet auch ein Charitysong zu Gunsten des zu unrecht missachteten Toilettenpapiers zu einer mitreißenden Hymne. Der besondere Reiz dieses internationalen Festivals zeigte sich aber im zeitgenössischem Rap. Die dreiköpfige Jazzformation (Rudy Redel am Kalvier, Sir Charles Williamson am Bass und Michael Kersting am Schlagzeug) konnte hier die Kraft zeigen, die sie zu bieten hatte. Besonders die Rythmussection trug zu einem ganz anderem Backround bei, auf dem sich die Improspieler viel gelassener und sicherer bewegen konnten. So wurde der Rap mit dem in schwedisch vorgetragenen Refrain “Du willst Liebe” ein mitreißender mehrsprachiger Hit!

Inspiration Jazz auf der Impro 2010
Foto von Michael Flürenbrock

Nach der Pause folgte nun das im Programm angekündigte Format: Als Ort ist ein Jazzclub vorgegeben, in dem sich verschiedene Charaktere treffen. “Der Jazzclub ist gut geeignet, da er zum einen ein öffentlicher Ort ist, wo sich unterschiedliche Leute begegnen und wo zum anderen natürlicher Weise Musik vorkommt.” so Redl. Es beginnt die Geschichte auch gleich mit einem Blind Date. Zwei Schwestern wollen ihre Internetbekanntschaft Georg treffen, werden aber von der lasziven Nachtclubsängerin ausgestochen. Dafür wenden sich die Beiden dem israelischen Musiker zu, der mit seiner Klarinette (“Schwarzwurzel”, wie Ilan Popkov von Lama Alpaka sie immer wieder nennt) bei den Damen besondere Gefühle auslöst. Doch schnell wird den Schwestern und der alleinerziehenden Kellnerin des Clubs klar, dass die Männer sich am Ende offenbar immer in den Jazz verlieben und den Frauen untreu werden. Also beschließen sie kurzerhand den Jazz zu töten und singen gemeinsam den Song “Killing the Jazz”, in dem sie gegen den Rhythmus ansingen. Die Songs sind immer wieder ganz besondere Perlen, in denen diese hervorragenden Performer zeigen können, welche Größe sie haben. Ein Genuß! So sehen selbst die enttäuschten Damen am Ende ein, dass sie zu weit gegangen sind – es darf nur noch ein Lied, der “Elephant Song“, gespielt werden. Und da die Männer es sowieso nicht lassen können, heimlich in Wohnungen und Kellern den Jazz spielen, kommt die Musik zurück mit “Jazz was back in Town“.

Der Frenetische Applaus des Publikums beweist: das Konzept geht auf, besonders wenn die Improvisierer so musikalisch sind. Für meinen Geschmack hätte man auf den ersten Teil verzichten können und besser die Langform abendfüllend spielen sollen. Rudi Redle erklärte das Zustandekommen des Ablaufs damit, dass die Gorillas bei ihren dienstäglichen Schlotauftritten meist diese Kombination spielen.

Kritisch würde ich noch das unschöne Verhalten anmerken, dass selbst in der Langform von den deutschen Spielern gelegentlich Szenen in Deutsch gespielt wurden und man das Unverständnis auf den Gesichtern der ausländischen Kollegen ablesen konnte. Persönlich empfand ich diese Art, Mitspieler auszublenden als unangenehm und ein wenig unhöflich. Davon aber abgesehen war es ein runder Abend und jeder sollte die Chance nutzen, dieses tolle Format bei der zweiten Vorstellung (heute am 30. März. 2010, 20:30 im Schlot) zu sehen.

Und noch ein Hinweis: Wer die Live-Band gut fand, der sollte sich den 4., 5. und 6. August 2010 in den Kalender schreiben, denn da wird “The Funk Family” im Schlot Live-Aufnahmen machen – man darf sich also auf einen Musikalischen Genuss freuen.

Thomas Jäkel
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