Die Faszination der Masken – Ein Maskenworkshop mit Steve Jarand

von Claudia Hoppe:

HALLE – ImpronaleAm 29. & 30. November fand in Halle im Rahmen der 11. Impronale ein Workshop mit dem Titel „Die Faszination der Masken“ von Steve Jarard statt. Steve Jarard stammt aus Kanada, wo er hauptsächlich am von Keith Johnstone gegründeten Lose Moose Theater unterrichtet. Auch die Arbeit mit Masken wurde ursprünglich von Keith Johnstone entwickelt und ist ziemlich ausführlich in seinem Buch “Improvisation und Theater” beschrieben.

Im Workshop arbeiteten wir mit Voll- und Halbmasken, auch Trance-Masken genannt. Die Halbmasken bedecken dabei den oberen Teil des Gesichts, bis einschließlich der Oberlippe. Dies erlaubt dem Träger der Maske, die untere Gesichtshälfte frei zu bewegen und ermöglicht es ihm, zu sprechen. Die Halbmasken sind aus einem recht harten Plastikmaterial und bunt bemalt. Insgesamt hat Steve uns ca. 20 verschiedene Halbmasken mitgebracht.

Maskenworkshop bei der 11. Impronale in Halle
Claudia Hoppe & Steve Jarand

Die Vollmasken hingegen sind aus weichem Schaumstoff und bedecken das gesamte Gesicht, einige haben sogar noch eine Art Strumpfmaske an den äußeren Rändern befestigt, so dass man auch Haare, Hals und Ohren des Trägers nicht mehr sieht (bei den Vollmasken an denen keine Strumpfmaske befestigt ist, wird dieser Effekt erzielt, indem man den Träger außerdem mit Mützen und Schals ausstaffiert). In unserem Workshop konnten wir aus insgesamt etwa 15 verschiedenen Vollmasken wählen. Auch sie sind von außen bunt bemalt (Münder, Augen, Wangen, Falten). Steve hat alle Masken in mühevoller Handarbeit selbst hergestellt, nach eigener Aussage benötigt er für eine Maske ca. acht Stunden. Eine Anleitung zum Maskenbau kann man hier herunter laden.

Das Arbeiten mit den Halbmasken läuft wie folgt ab: Der Spieler sucht sich zunächst eine Maske aus. Diese wird dann so aufgesetzt, dass Unterlippe und –kiefer möglichst frei beweglich bleiben, möglicherweise müssen einige Teile der Maske dabei zusätzlich mit Schaumstoff unterlegt werden, da das Material doch recht hart ist. Anschließend geht der Spieler in eine (körperlich) neutrale Position. Nun hält der Workshopleiter ihm (mit Ansage) einen Spiegel vor die Augen. Der Spieler hat vorher die Anweisung bekommen, den Anblick der Maske auf sich wirken zu lassen und zu schauen, welches „Geräusch“ spontan kommt, und dieses dann zu weiter zu forcieren. Der Spiegel wird weg genommen, das Geräusch beibehalten. Sobald die Wirkung nachlässt, betrachtet der Spieler sich wieder im Spiegel und „lädt sich dabei auf“. Ziel ist es, dabei in eine Art „Mini-Trance“ zu fallen (daher auch: Trancemasken).

In unserem Workshop hatten wir die Möglichkeit, verschiedene Halbmasken nacheinander auszuprobieren. Nachdem jede Maske in der ersten Iteration lediglich mit sich selbst, also dem eigenen Spiegelbild, konfrontiert wurde, wurde sie in späteren Iterationen (also wenn ein Spieler sich entschieden hatten, die Maske noch einmal aufzusetzen), mit ersten Gegenständen in der Außenwelt in Kontakt gebracht (z.B. Spielzeug, Stofftiere, Stoffblumen), oder lernte darüberhinaus erste Worte (jede Maske muss unsere Sprache erst „lernen“). Am zweiten Tag fingen wir sogar an, einige Masken miteinander in Kontakt zu bringen, am Nachmittag feierten fünf Masken in dem an unseren Workshopraum angrenzenden Innenhof sogar eine kleine Party.

Vollmasken
Vollmasken

Die Arbeit mit den Vollmasken läuft gänzlich anders ab. Hier schaut der Spieler sich mit der Maske nicht im Spiegel an, er hat überhaupt keine Ahnung, wie er bzw. seine Maske nach außen wirkt. Und nicht nur das: Das Sichtfeld der Maske ist durch die kleinen Guck-Löcher dermaßen eingeschränkt, dass man höchstens 20% seines normalen Sichtfelds hat, und lediglich geradeaus gucken kann. Ich persönlich bekam zudem unter der Maske extrem schwer Luft, so dass ich einige Male das Gefühl hatte, dass mir gleich die Sinne schwinden. Dass die Maske nur geradeaus gucken kann hat jedoch für die Zuschauer einen frappierenden Effekt: Die Maske kann jeden einzelnen Zuschauer genau fokussieren, und i.d.R. bemerkt man sofort, ob die Maske mit einem „in Kontakt“ ist, oder nicht. Ein undefinierter Fokus hat für die Zuschauer daher sofort den Effekt, dass die Maske nicht mehr im Kontakt mit dem Publikum ist. Umgekehrt jedoch gibt – wenn der Spieler seinen Blick eben auf einzelne Zuschauer fokussiert – dies ein viel stärkeres Gefühl des Im-Kontakt-Seins, als es ein Impro-Spieler ohne Maske hat. Dieses fokussierte Immer-wieder-Kontakt-mit-dem-Publikum-aufnehmen hat auch einen unglaublich entschleunigenden Effekt: Szenen mit Vollmasken wirken meist sehr ruhig und bedächtig und haben genau dadurch eine große Spannung. Die Spieler wissen durch ihr eingeschränktes Sichtfeld oft nicht, was eigentlich gerade in der Szene passiert, und reagieren quasi „blind“. Dennoch macht jede ihrer Aktionen für uns im Publikum Sitzende Sinn! Wir projizieren den Sinn in das Gesehene hinein, noch viel mehr, als wir es in normalen Impro-Szenen tun!

Und nicht nur Sinn projizieren wir auf das Gesehene: Die Masken können ihre Gesichtszüge nicht verändern, dennoch wirkt es für uns als Zuschauer so, als würden sie ihre Mimik in der Interaktion verwandeln.

Was hat das alles nun mit Impro-Theater zu tun? Diese Frage habe auch ich mir gestellt, nachdem ich mich durch den entsprechenden Teil in Keith Johnstones Buch ca. 6 Monate lang regelrecht „durchgequält“ habe. Nach diesem Workshop ist mir das deutlich klarer geworden: Die Arbeit mit den Halbmasken schult das „Im-Moment-sein“ und das Abgeben von Kontrolle, das spontane reagieren (wir versuchen quasi, unseren Neocortex auszuschalten). Das Arbeiten mit den Vollmasken trainiert die Bühnenpräsenz und das „In-Kontakt-mit-dem-Publikum-Treten“. Beides sind Kernkompetenzen, die ein guter Impro-Spieler braucht. Wer also Lust hat, neben den gängigen Impro-Techniken und -Übungen auch mal etwas anderes auszuprobieren, dem kann ich Steve Jarands Maskenworkshop uneingeschränkt empfehlen. Ich hatte in diesen zwei Tagen in Halle auf jeden Fall unglaublich viel Spaß.

Claudia Hoppe