IMPRO 2016: Improv without borders im English Theatre Berlin

von Claudia HoppeInternationales Festival Impro 2016 Berlin

Es war ein Experiment

BERLIN – Wie vielleicht einige Aufführungen, die am heutigen Abend unter dem Motto “Improv without borders” standen, war auch die Show am 12. März 2016 im gut gefüllten English Theatre Berlin ein Experiment: In der ersten Hälfte hatte sich das Ensemble – bestehend aus Laurel Ryan (Unexpected Productions USA), Tarek Kannish (Syrien), Inbal Lori (Israel), Roland Trescher (isar148 München), Roland Riefer (frei.wild Berlin), Luise Schnittert (die Gorillas Berlin) – ein Format überlegt, in dem es um Kontraste gehen sollte. Hierbei standen zwei möglichst unterschiedliche Familien im Vordergrund. Die Vorgaben, die am Anfang der ersten Hälfte zum Thema “Kontrast” eingeholt wurden, waren: “Zebra”, “Kontrastmittel” (das Zeug, das beim MRT eingesetzt wird) und “digital/analog”. Aus diesen Vorgaben entwickelte sich eine Familie als eine Art “Dschungel-Aussteiger”, die in einer Höhle hauste und mit Tieren sprach (Inbal als Tochter, Laurel als Schwester, Luise als Mutter). Die andere Familie bestand aus zwei Söhnen (Roland & Roland), deren schwerkranke Mutter (nochmal Laurel) an gebrochenem Herzen starb und deren Gehirn nur noch per Maschine am Leben gehalten wurde, so dass die Söhne irgendwann die Entscheidung treffen mussten, ob die Maschinen abgeschaltet werden, oder nicht.

IMG_20160312_203546
Versammlung der Tiere mit Inbal

Inbal Lori saving her family

Zwischen diesen beiden Familien-Settings wechselte das Geschehen hin und her, wobei in der Dschungel-Familie lange nicht klar war, ob es sich um Menschen oder um Tiere handelte. Diese Verwirrung wurde irgendwann sehr elegant von Inbal Lori aufgelöst: Sie und ihre Familie sind Menschen, die irgendwann in die Wildnis geflohen sind, weil sie es in der Menschenwelt nicht ausgehalten haben. Sie (Inbal) ist in der Lage, mit Tieren zu kommunizieren, und teilt diesen unumwunden mit, dass sie als Nahrung für sie und ihre Familie dienen sollen – woraufhin die Tiere die (R)Evolution planen. Schön in dieser Szene, wie Inbal das Thema “Gehirn” aus der anderen Geschichte aufgegriffen, aber in einen anderen Kontext gesetzt hat (nämlich in diesen “Wir Menschen haben ein Gehirn, und deshalb sind wir Euch Tieren überlegen.”). Herausragend hier überhaupt Inbals Leistung, die immer wieder auf sehr wertschätzende Art verloren gegangene Stränge und Missverständnisse aufgreift und zusammen führt.

IMG_20160312_212121
Schiefe Ebene mit Roland Trescher als Tisch

Topsyturvy – Szenen-Collage in der 2. Hälfte

In der zweiten Hälfte spielten die Spieler ein Format, das als “Topsyturvy” angekündigt war. Es handelte sich um eine lose Collage von Szenen, die keinerlei Zusammenhang haben (müssen), und den Spielern deshalb sehr viel Freiheit lassen. In dieser zweiten Hälfte, in der insgesamt etwa zehn unterschiedliche Szenen gespielt wurden, gab es einige sehr schöne Impro-Momente: Mein Favorit ist die Szene, in der die Ebene “gekippt” wurde (siehe Foto), und die Spieler im Liegen auf dem Bühnenboden agieren, als würden sie stehen. Abgerundet wurde diese zweite Hälfte mit einer Oper. Nicht unerwähnt möchte ich die Leistung von Rudi Redl lassen, der speziell in der ersten Hälfte nicht nur die musikalische Begleitung gemacht hat, sondern auch sehr aufmerksam mit Geräuschen gearbeitet, und damit die Spieler auf der Bühne um einen weiteren, unsichtbaren Mitspieler ergänzt hat.

Fazit

IMG_20160312_213309
Show-Cast (v.l.n.r. Rudi Redl, Laurel Ryan, Tarek Kannish, Luise Schnittert, Inbal Lori, Roland Riefer, Roland Trescher)

Leider ist die Show trotz des großartigen Casts nicht so richtig zum Fliegen gekommen. Das lag m.E. daran, dass die Spieler nicht so richtig zueinander gefunden haben, weshalb es in den meisten Szenen nicht wirklich um etwas ging. Vor allem Inbal Lori, aber auch Roland Trescher haben hier immer wieder versucht, lose Enden und Handlungsstränge, Inkonsistenzen und Missverständnisse aufzugreifen und zusammen zu führen und miteinander zu verknüpfen.

Ein schönes Gefühl ist es jedoch, zu wissen, dass alle Eintrittsgelder aus dieser Show der Initiative Pro Asyl gespendet werden.

Claudia Hoppe