IWT: Spielbericht und Kommentar zum Punktspiel: Die Unverhofften vs. Die Verstörte Wunschkinder

von Sonja Dif:

BERLIN – Ein lauschiger Abend, es ist ein Hauch von Sommer zu erahnen. Langsam füllt sich das LAIKA in der Emser Straße in Neukölln. Hier und da ein freudiges Hallo, die Impro-Szene versammelt sich zum Punktspiel. Kurz vor Acht strömen alle auf ihre Plätze. Ich bewundere das Lichttableau des Technikers, hier kommt heute Musik raus. Ich bin fasziniert. Ziemlich pünktlich betritt Thomas Jäkel, der Moderator des Abends, die Bühne und wird von einem gut gelaunten Publikum begrüßt.

Er erklärt die Regeln: Maximale Punktzahl sind 24. In Summe natürlich. Jede Mannschaft hat die Möglichkeit in 6 Spielen 18 Punkte zu holen. Bei Gewinn einer Szene gibt es drei Punkte, bei Verlust einen Punkt und beim Unentschieden zwei Punkte. Zusammenfassen heißt das, wir bewegen uns in der Range von 18:6 und 6:18, in jedem Fall jedoch 24 Gesamtpunkte. Nachdem der Moderator noch erklärte, dass es für Beleidigung, Missachtung des Moderators, mutwillige Störung der Mannschaften sowie erkennbar geprobten Spiels Punktabzüge gibt, wurde das Spiel eröffnet.

Unter großen Jubel betraten die Mannschaften die Bühne. Die Unverhofften spielten in der Besetzung Ilona Lentz und Martin Wilke, die Verstörten Wunschkinder schickten Sascha Spremberg und Dominik Wirth auf die Bühne.

Gut gelaunt ins Match

Nach Ablegen des feierlichen Schwurs ging es in die Aufwärmrunde. Wir sahen einen gut aufgelegten Toaster, bei dem beide Mannschaften die Chance nutzten zu spielen, so dass der Toaster in einem Massentoastbrot landete.

Dann ging es in die erste Herausforderung: Die Verstörten Wunschkinder (VWK) forderten die Gastgeber zur besten Szene – Kategorie Fantasy heraus. Die VWK legten auch fulminant los zur Vorgabe „magischer Würfel“. Wir sahen eine Zweier-Synchro als Ritter/Knappe-Szene gespielt. Mit viel körperlichem Einsatz spielten die VWK die Synchro auch geich für die unterstützenden Spieler der Unverhofften mit. Technisch hervorragend gespielt, machte diese Szene viel Laune und war ein guter Opener.

Die Unverhofften antworteten mit einer gereimten Szene in der Mariella Hase aus Pforzheim im Park auf ihren Lover trifft. Schöne Reime mit abwechselnden Dialogen wurden mit Jubel belohnt. Da hätte es der Entschuldigung, dass es sich vielleicht nicht reimen muss, nicht bedurft. Und eine persönliche Anmerkung der Reporterin, niemand sollte sich auf der Bühne im Vorfeld für etwas entschuldigen, einfach machen und gut…

Die Abstimmung zeigt hier dann auch ein ausgeglichenes Bild, 2:2 stand es nach der ersten Herausforderung.

Den Fokus wieder freigeben

In der Herausforderung II waren es dann die Unverhofften als Gastgeber, die zur besten kitschigsten Szene forderten. Die Gastgeber erhielten als Vorgabe „Horror auf der Alm“. Mit zwei wunderschön angelegten Charakteren entwickelte sich eine Liebesszene in ein düsteres Szenario, toll supported von den VWK mit Geräuschen. Das Publikum johlte. Die Szene endete in einer wilde Knutscherei, wobei offen blieb, ob das Liebespaar nun wirklich dem Ende entgegen sehen muss.

Diese Szene wurde grandios unterstützt von den VWK. Für meinen Geschmack darf der Unterstützer allerdings nicht vergessen, wem die Szene gehört und sollte den Fokus wieder freigeben. Hier taten VWK einen Tick zuviel.

Die VWK antworteten mit einer Soufleusen-Szene und holten sich zwei Publikumsakteure auf die Bühne. Es ging um ein Klärwerk, in dem Dominik als Klärwerk-Putzer das Setting setzte. Sehr schön gespielt, denn er brauchte nicht ein Wort dafür. Nach Ablegen der anfänglichen Scheu der Publikumsspieler, sahen wir ein gut gelauntes Spiel welches in Wirrungen und Irrungen endete.

Bei der Abstimmung zeigt sich dann, dass die VWK ihren Fanblock etwas stärker mobilisieren konnten, denn sie gewannen dieses ausgeglichenes Duell und gingen mit 5:2 in Führung. Der Moderator hätte hier ruhig beherzt einen Punkt abziehen können, für die „Regelverletzung – Grobes Stören der Mannschaften“, denn der Fokusklau in der Horrorszene wäre nicht notwendig gewesen.

Im gemeinsamen Spiel sahen wir das Beziehungsquadrat: Die Vorgaben lauteten: Neid, Riechsalz, 12 Uhr mittags und Jens. Wir sahen ein buntes Potpourrie mit schönen Figuren und temporeichen Spiel. Es wurde geboxt, mein Haus, Auto, Garten beneidet, Namensfindung einer Schwangeren beleuchtet und duelliert. Hier sahen wir in einem sehr schönen Charakterspiel Martin und Dominik. Dominik konnte sich nicht entscheiden zu schießen, während Martin den lässigen Provozierer gab und dann einfach kurzen Prozess machte, nachdem Dominik zu lange zögerte. Ein schneller schmerzloser Impro-Tod ist doch immer wieder schön zu sehen auf der Bühne.

Auf in diesem ausgeglichenen Duell lagen die VWK eine Nase vorne und gewannen auch dieses Spiel und bauten ihre Führung auf 8:4 aus. So ging es in Pause.

Nach der Pause

Die VWK forderten Herausforderung III zur „besten Szene im Shakespeare-Stil bzw. einer künstlichen Sprache“. Die VWK wählten als Spiel den Fast Replay und schafften es eine sinnlose Nullszene zu spielen in der eine Depesche an Obama oder dem Dalai Lama geschickt wurde, eine Luftpumpe zum Einsatz kam und die USA lebte.

Die Szene wiederholte sich nun 30 und 15 sec. Dieses Spiel zeigte, dass Absurdes sich super eignet für das Fast-Replay, denn die letzten 15 sec. waren lustig, herrlich abgedreht und schön energetisch. Das Publikum belohnte die Szene mit Lachsalven. Hier ließen die VWK auch eine ihrer Stärken aufblitzen, die eindeutig im Gaming & treffsicheres Pointen setzen liegt.

Die Unverhofften ließen sich diesmal nur eine Vorgabe geben. Sie reisten in die „STEINZEIT“. Herrlich spielten sie in den Bewegungen der Neandertaler mit der künstlichen Sprache und beschäftigten sich eingehend mit der Fortpflanzung. Hier flossen sehr schön Charakter, Körperspiel und Erfüllung der Herausforderung zusammen. Dies belohnte das Publikum mit dem Gewinn des Duells und die UV verkürzten auf 9:7.

Mit einem Unentschieden leben können

Nach dem soviel gesprochen wurde forderten die UV mit Herausforderung IV zur „besten Szene ohne Worte“.

Mit Boulangerie als Vorgabe zeigten die UV hier sehr schön auf, wo ihre Stärken liegen. Figurenentwicklung, die das Herz berührt. Ohne viel Hektik, aber mit Liebe zum Detail. Es entwickelte sich die schönste Liebesszene, die sich in einen Werbespot verwandelte. Wunderbar improvisiert unter Einsatz von Mimik, Körper und langsamen Spiel.

Die VWK gingen im „verwunschenen Gartenhaus“ als Diebe zu Werke und begingen den Bruch ihres Lebens. Energetisch exzellent gespielt mit Einsatz von authentischen Geräuschen, wurden die VWK nun ihrerseits toll supported von den UV, die als Paar in diesem Haus lebten. Es gelang den Spielern das Publikum so einzufangen, dass wir selber in dem Haus waren. Glänzende Unterhaltung und dies belohnte auch das Publikum mit viel Applaus. Bei der anstehenden Entscheidung setzten sich hier, mit ganz knappen Klatschern, die VWK durch. Ich hätte auch mit einem Unentschieden leben können. Somit bauten die VWK ihre Führung auf 12:8 aus.

Gewonnen hat in jedem Fall das Publikum

Das letzte gemeinsame Spiel war „Switch & Change“. Dabei handelte es sich um eine Staatsanwalt/Richter-Szene und einem Boykott-Skandal.

Dr. Oetker muss freigesprochen werden, auch wenn der Hefeteig für Randale sorgte, Maggi das Essen auch nicht besser macht und Bestechung nicht immer zum Ziel führt. Ich habe die letzte Geschichte nicht verstanden. Ist auch nicht so wichtig, denn beide Mannschaften spielten mit soviel Spass & Freude, dass die Unterhaltung und Leichtigkeit einen fröhlichen Abend krönte. Das Publikum konnte sich auch nicht entscheiden und so ging das Spiel unentschieden aus.

Mit 13:11 gewannen die VWK. Beide Mannschaften lieferten sich auf Augenhöhe mit ihren Stärken ein spannendes Duell und dem Publikum einen sehr unterhaltsamen Impro-Abend, in dem die Game- und Gagerprobten VWK die Nase ein wenig vorne hatten. Es hätte auch unentschieden ausgehen können. Aber so ist es eben im Spiel, mal verlieren die Anderen, mal gewinnt man selbst. Gewonnen hat in jedem Fall das Publikum. Vielen Dank, bis zum nächsten Mal.

Thomas Jäkel
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