“Im Stile von” den Gorillas: Die IMPRO2011 hat begonnen!

Christoph Jungmann eröffnet die IMPRO 2011, Foto: Impro-News

von Marco:

Die IMPRO 2011 startete gestern Abend mit einer fulminanten Eröffnungsshow, seit 3 Jahren standen wieder alle 30 Festivalteilnehmer gemeinsam auf einer Bühne. Das geht, weil der Festivalauftakt erstmals im Heimathafen Neukölln stattfand, der deutlich mehr Platz als das Ratibortheater bietet. So hatten alle teilnehmenden Gruppen die Gelegenheit, sich und ihren diesjährigen Festival-Schwerpunkt mit einem kurzen “Teaser” vorzustellen. Das war natürlich besonders bei den Gruppen interessant, die sich speziell auf den Festival-Schwerpunkt “Im Stile von…” vorbereitet hatten. Fünf Gruppen aus fünf Ländern wählten sich jeweils einen berühmten Theaterautor aus ihrem Heimatland und erarbeiteten sich anhand von drei repräsentativen Stücken den typischen Stil, die Figurenführung und Sprache des Autors. Und das konnte man dann auch ganz deutlich sehen:

Unexpected Productions mit Tennessee Williams, Foto: Impro-News

Stockholms Improvisationstheater (Schweden) widmet sich dem symbolisch-expressionistischen Werken von August Strindberg; die französische Compagnie Combats Absurdes wählten sich mit Eugène Ionesco einen Meister des absurden Theaters.

Unexpected Productions (USA) rund um Randy Dixon brachten den großen Amerikaner Tennesse Williams mit über den großen Teich und die Gastgeber Gorillas setzten auf Georg Büchner, den großen deutschen Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Revolutionär.

Die Gorillas bohren mit Büchner in der Nase, Foto: Impro-News

Ausnahmslos alle resultierenden Szenen waren unglaublich intensiv und gefühlte Lichtjahre entfernt von typischen Improspielen und Wellenpunkten. Jeder Zuschauer merkte sofort, hier ist etwas anders ist als sonst; das ist eine neue Dimension des Improtheaters. Beeindruckend die Intensität und Entschlossenheit, mit der sich die Gruppen offensichtlich in die Sache stürzten. Das gewählte Spielformat scheint die Spieler zu einer neuen Ernsthaftigkeit zu ermuntern, was folgerichtig zu sehr intensiven Szenen führte. Natürlich ergeben sich auch in diesem Umfeld immer wieder improtypisch unvorhergesehene Wendungen, Absurditäten und Überraschungen, aber insgesamt ist das, was dort geboten wurde, sicherlich keine ganz leichte Kost für die Zuschauer. Man darf gespannt sein, wie sich das im Rahmen einer abendfüllenden Show umsetzen lässt.

Gebt mir einen Chor! Foto: Impro-News

Jede Gruppe wird übrigens in den kommenden Tagen einen Abend in ihrem eigenen Stil spielen, um anschließend im Rahmen von 3-tägigen Festival-internen Workshops ihr erarbeitetes Wissen weiterzugeben. Das Ergebnis kann man dann in Festivalensemble-Shows begutachten. Spannend könnte dabei sein, die “Orginalversion” der Gruppen mit der weitergegebenen Version einer Umsetzung vergleicht. Bei so vielen begabten Improspielern kommt da sicherlich etwas sehr Interessantes heraus.

Einen besonderen Auftritt hatten die internationalen Lieblinge der Berliner: die Crumbs aus Kanada, die sich vom kanadischen Autor Georg F. Walker inspirieren ließen. Lee White inszenierte einen 30-Sekunden langen pantomimischen Kampf mit Stricknadeln (der Vorgabe!) und die Szene endete auf dem Höhepunkt, ohne dass Stephen Sims überhaupt in das Geschehen eingegriffen hatte. Das muss man sich erstmal trauen, solch einen Beat zu nehmen, insbesondere wenn man weiß, dass man an dem Abend nicht mehr auf die Bühne kommt. Großartig!

Musical 1, Foto: Impro-News

Zur Abrundung des Abends und zur Entspannung der Zuschauer gab es im dritten Drittel noch ein gemeinsames Musical von einem Teil des Ensembles zum Thema “Haare” und “Flughafen”. Schön zu sehen, wie sich 15 Improspieler die Impulse gegenseitig zuwerfen und schöne Gruppenbilder bauen.

Musical 2, Foto: Impro-News

Eine kleine Anekdote soll nicht unerwähnt bleiben, die Christoph Jungmann, Chef-Organisator des Festivals, sicherlich noch lange schmunzelnd erzählen wird: Bei der Vorstellung der Gruppen rief er nacheinander alle Gruppen auf die Bühne und stellte die jeweiligen Spieler vor. Die Gorillas jedoch vergaß er völlig und musste erst von den bereits auf der Bühne befindlichen Spielern mit hektischen Armbewegungen darauf hingewiesen werden. Eine sehr schöne Vorlage für Michael Wolf, der die Moderation des zweiten Drittels mit den Worten begann: “In der Politik mögen schwere Fehler verziehen werden, aber im Impro gelten härtere Maßstäbe. Es waren 12 schöne Jahre mit dir Christoph. Du bist gefeuert!”. Natürlich wurde er anschließende wieder begnadigt und durfte gemeinsam mit Michael das dritte Drittel moderieren. Christoph Jungmann versicherte uns in der Pause, dass dies kein abgesprochener Gag war…

Dies ist Improtheater für fortgeschrittene Zuschauer! Hier werden sicherlich nicht diejenigen bedient, die ein temporeiches Theatersport-Match mit den klassischen Spielen erwarten. Mein Tipp: Jeder Impro-Interessierte sollte sich mindestens eine der “Im Stile von…” Show ansehen, um einen Eindruck zu bekommen, was Improtheater jenseits von Theatersport und Schillerstraße sein kann und vielleicht mit dabei zu sein, wenn improvisiertes Theater in eine neue Dimension vorstößt! Danke liebe Gorillas, dass ihr so ein Festival in die Stadt holt und euch traut, neue Wege zu beschreiten!

Die Show ist zu Ende, Foto: Impro-News