KIF 2011: Gemüsefan Gertrud siegt bei Superszene

Von Axel Bungert

Gibt es eigentlich „Fachfleischverkäuferinnen“? Am 15.4. 2011 in der Kölner Lutherkirche schon – die Leiden der „Fachfleischverkäuferin“ Gertrude, die sich mit 56 Jahren den Traum erfüllte, Vegetarierin zu werden, wurde zur „Superszene 2011“ gewählt. Das Format „Köln sucht die Superszene“ wurde im Rahmen des 6. Kölner ImproFestivals gezeigt und stellte den Zuschauern nacheinander fünf Geschichten zur Auswahl. Daraufhin wurde, wie bei einer Casting-Show, einer der Handlungsstränge abgewählt, die übrigen wurden fortgesetzt. Das wiederholte sich so lange, bis die Gewinner-Geschichte übrig blieb. So endete die Show in einem furiosen, „gertrudischen“ Finale (so die Moderatorin), in dem die sechs Improtheater-Darsteller aus ganz Deutschland bei Hip-Hop-Gesang Gertrude zur Gemüsebäuerin machten. Fantastisch begleitet wurde die Impro-Show von Marco Seypelt am Keyboard.

Die Szene mit der Vorgabe „Thriller“ wurde, wie zu oft beim Improtheater, sofort zu einer Parodie desselben, in der ein dummdreistes Gangstertrio einen „Bruch“ plante, schlecht ausführte, geschnappt wurde und sich dann im polizeilichen Verhör um Kopf und Kragen redete. Auch die in der „Renaissance“ spielende Szene geriet schnell zur Farce, in der niemand mehr durchblickte. Zwar hatten die Zuschauer Spaß, doch zu oft wurde zugunsten von Trash und schnellen Gags agiert. Da war es nicht verwunderlich, dass der einzig lebendige und wiedererkennbare Charakter der Show, die von Silke Siegel klasse gespielte, melancholische „Fachfleischverkäuferin“ es bis zur Superszene brachte.

Souverän und mit einer erfrischenden Leichtigkeit führte Billa Christe aus Berlin durch den Abend. Sie moderierte nicht nur, sondern griff auch als Regisseurin in die Szenen ein und forderte das Publikum zum Mitsingen auf. Mal verlangte sie von den Darstellern einen Dialekt, mal verbot sie ihnen das Sprechen ganz und tat immer das, was die Szene gerade brauchte. Was manche Darsteller gerade zu Beginn vermissen ließen – sie erkannten die Angebote ihrer Bühnenkollegen nicht und trugen Statuskämpfe aus, sie waren oft nicht bereit, sich für das Wohl der Szene verändern zu lassen. Doch zur zweiten Hälfte zog der Spielfluss spürbar an.

Sowohl Akustik als auch Beleuchtung waren in dem Kirchengebäude suboptimal. Was aus den Lautsprechern kam, war für die vorderen Reihen zu laut, während man in den hinteren die Darsteller kaum verstehen konnte. Das tat der Stimmung in der voll besetzten Kirche jedoch keinen Abbruch, und viele Gäste blieben auch nach der Krönung der „Superszene“ sitzen, um die „Marathonnacht“ zu erleben, die bis 2 Uhr nachts gehen sollte.