von: Zwackelmann
Paternoster spielt MordArt seit Jahren. Die Vorstellungen sind oft ausverkauft. Es kann eigentlich nicht immer so mäßig sein wie am Donnerstag (04.02.10) im halbvollen BKA-Theater.
Eine unglückliche Weichenstellung gleich zu Beginn: das von der Moderatorin bestimmte Mordopfer (und der spätere Komissar) hat keinerlei Hauptrollenqualitäten. Körper, Mimik und Stimme sind eigentlich immer irgendwie gleich. Und auch sonst sprüht der Abend nicht gerade vor Tempo, Spannung und Spiellust. Es wird sehr viel rumgestanden und geredet. Die ständige Verhörsituation wirkt auf Dauer statisch. Die Figuren und Beziehungen verändern sich kaum, man erfährt wenig bis gar nichts über ihr Umfeld und ihre individuellen Geschichten.
Dabei können die Spieler natürlich Impro – sie sind aufmerksam, merken sich alles, können alles rechtfertigen. Stark die “Split-Screen”-Szenen: zwei Szenen laufen parallel, ständig werden Sätze der einen Szene von den Spielern der anderen Szene aufgegriffen und in einem anderen Zusammenhang weiter verwendet. Während in der einen Szene gesprochen wird, läuft die andere stumm weiter. Das ist sehr gekonnt und schafft eine Intensität, die dem Rest des Abends häufig fehlt.
Ein brillanter Hauptdarsteller hätte sicher einiges herausreißen können, aber ist es vielleicht auch das Konzept, das eine gute Geschichte verhindert?
Engt das Konzept zu sehr ein?
Das Mordopfer holt sich vom Publikum als Vorgaben Beruf, Hobby und eine vertraute Person, dann folgen drei Arschloch-Szenen, in der das spätere Opfer Hass auf sich zieht (die Fahrschülerin wird sexuell genötigt, der Synchron-Schwimm-Partner aus dem Team geworfen und die Ehefrau gedemütigt).
Das Publikum stellt drei Gegenstände (Indizien) zur Verfügung und bestimmt den Tatort (Schwimmbad). Vor der Show war jeder Zuschauer aufgefordert, eine Mordart auf einen Zettel zu schreiben, nun wird eine ausgelost (Erstechen).
Dann sehen wir das tote Opfer mit den Indizien (Schal um die Augen, Kondom im Mund, Damenschuh in der Hand) wie es vom Spurensicherungs-Paar gefunden wird. Die beiden sind als im weitesten Sinne komisches Paar angelegt – Frau Siefert und Frau Seifert kabbeln sich ständig (durchaus gekonnt).
Keiner kennt den Mörder
Im Laufe des Abends ermittelt nun der Komissar, der vom Opfer-Darsteller gespielt wird. Die restlichen drei Spieler sind Verdächtige, wer von ihnen Täter ist, wird verdeckt ausgelost. Weder das Publikum, noch der Komissar, noch die Mitverdächtigen wissen, wer es ist. Und das ist ein echtes Problem, wie der Kritiker vermutet:
Die drei Verdächtigen müssen bis zum Schluß alle ähnlich verdächtig bleiben, damit die “Wer war es”-Spannung nicht leidet, denn Kommissar und Publikum sollen es herausbekommen. Damit ist es aber schwierig, den Figuren und Beziehungen Dynamik zu verleihen.
In einem guten Krimi ist das “Wer war es” raffiniert konstruiert. Doch wie soll man das als Impro-Spieler leisten, wenn niemand weiß, welcher Mitspieler der Mörder ist? Fiese Fallen, Verfolgungen, Drohungen, Duelle, alles was Action und schöne Bilder liefern könnte – wie soll man es spielen, wenn keiner weiß, wer der andere ist und auch niemand es verraten darf? Tatort, Mordart und Indizien sind ja von außen bestimmt, die Schauspieler müssen das alles nachträglich in die Geschichte einführen, so, dass jeder verdächtig ist, der Täter aber einen Hauch mehr. Ja, die Spieler von Paternoster schaffen das, aber es beengt sie wohl auch. Einen schwierigen Knoten zu binden mag eine reife Leistung sein, aber möchte man das auf einer Bühne sehen?
Witze statt Action
Völlig unnötig Tempo aus der Show nehmen aber die regelmäßigen Dialoge zwischen Komissar und Pianist . Der Komissar soll wohl hier seinen Fall reflektieren, es wird aber vor allem gewitzelt und das eher flach. Sowieso verlässt sich Paternoster an diesem Abend sehr auf Gags, häufig sexuell gefärbt. Sicher lachen viele, aber wer nur still die Augen verdreht, bleibt im Dunkeln. Und muss im Altersheim unbedingt die Karikatur einer total debilen Tattergreisin gespielt werden? Wie die alte Dame in der fünften Reihe sich dabei wohl gefühlt hat?
An diesem Abend wird der wahre Täter verhaftet – wohl dadurch, dass er als einziger den Konflikt mit dem Ermordeten leugnete und regelmäßig Kondome mit Blaubeergeschmack kaufte. Schön, dass wir nun den Mord sehen, durchaus mit Spannung gespielt. Mit Ach und Krach wird auch gerechtfertigt, warum das Opfer Schal um den Hals, Schuh in der Hand und Kondom im Mund hat, doch plausibel wirkt das nicht, eher klamaukig. Sind drei Indizien vielleicht etwas viel?
Die Zuschauerin, die den Täter schon zur Pause ahnte und ausgelost wird, gewinnt Freikarten und “ein Essen zu zweit” – eine Tütensuppe.
Kann MordArt auch ganz anders sein? Der Kritiker wird sich einen zweiten Eindruck verschaffen.
Paternoster spielt MordArt jeden letzten Samstag im Monat im BühnenRausch und jeden ersten Donnerstag im BKA-Theater (im März ausnahmsweise erst am 18.)