von Heike Reissig
Ralf Schmitt, ein gebürtiger Oberfranke, der seit vielen Jahren als Schauspieler, Trainer und Moderator beim Hamburger Improvisationstheater Steife Brise im Einsatz ist, hatte 2001 eine folgenschwere Vision: einen mehrtägigen Workshop, der Improvisationstheater mit Urlaub verbinden sollte. Was ihm vorschwebte, war ein Mix aus Spiel und Strand, Spontaneität und Sonnenbräune – und die Idee vom Impro-Camp war geboren. Als Mann der Tat verzichtete Schmitt darauf, lange über die Machbarkeit seiner Vision nachzugrübeln. Schon bald hatte er mit Sigi Wekerle vom Nürnberger Improvisationstheater 6 auf Kraut seinen ersten Mitstreiter und Co-Trainer gefunden, der sein Faible für verrückte Ideen teilte. Und so kam es, dass 2003 das erste von Ralf Schmitt erdachte Impro-Sommercamp mit 2 Trainern und 20 Teilnehmern im sonnigen Südfrankreich stattfand.
Schmitt erinnert sich noch gut an die Anfänge des Impro-Camps: „Es war total chaotisch, aber total geil.“ In der französischen Camargue fungierte noch eine typische alte Jugendherberge als Unterkunft, „mit zwei 10er-Zimmern und zwei Duschen für alle“, strenge Herbergsleitung inklusive („kein Alk“). Täglich gab es Workshops von 10-17 Uhr mit 1 Stunde Mittagspause; das Training fand teilweise im Freien statt, etwa am nahe gelegenen Strand.
Dieses allererste Sommercamp kam trotz oder vielleicht auch gerade dank seines anarchischen Charmes so gut an, dass Schmitt sich 2004 bereits mit doppelt so vielen Teilnehmern in einem Doppeldeckerbus von Oberfranken aus auf eine abenteuerliche 24-Stunden-Fahrt nach Calpe in Spanien begeben konnte – diesmal sogar in Begleitung von 2 Co-Trainern: neben Wekerle war erstmals auch Stephan Stark vom Nürnberger Ensemble holterdiepolter! mit am Start, der die Camps übrigens gemeinsam mit Schmitt organisiert. Diesmal war das Ziel ein eigens angemietetes Ferienhaus mit Pool direkt am Meer – „eine Art Jugendherberge für Erwachsene“, wie Schmitt grinsend erzählt. Bei diesem Impro-Camp führte der offenbar von der spanischen Kultur beflügelte Schmitt dann auch als Neuheit das „Siesta“-Prinzip ein: Geworkshoppt wird seither immer von 10-13 h und von 17-20 h; dazwischen gibt es eine mehrstündige Pause zum Sonnenbaden, Schwimmen und Relaxen, damit das Urlaubs-Feeling nicht zu kurz kommt.
Für Action Man Schmitt hört das Programm jedoch nicht mit den Impro-Workshops auf, im Gegenteil: Er möchte erreichen, dass die Teilnehmer auch darüber hinaus so viel wie möglich zusammen erleben und Spaß dabei haben. Dadurch könne die gesamte Gruppe noch mehr zusammenwachsen und das wiederum wirke sich positiv auf die Atmosphäre der Workshops aus, so Schmitts Philosophie. Um dies zu fördern, organisiert er täglich gemeinsame Unternehmungen wie Klippenspringen, Strandparty und für ganz Hartgesottene sogar einen Ausflug zum Ballermann.
Auch manche Teilnehmer ergreifen die Initiative mit Angeboten, denen nur wenige widerstehen können; schon fast legendär sind die Square-Dance-Kurse von Gero Teufert (Maineid, Frankfurt). Dabei gilt jedoch immer das Motto „Jeder kann – keiner muss“: Wer Lust hat, macht mit und wer keine Lust hat, lässt es bleiben – jeder so wie er gerade mag. Das Feedback der TeilnehmerInnen hat Schmitt zufolge einen erheblichen Einfluss auf die Programmgestaltung der Impro-Camps. In den letzten Jahren wurde verstärkt der Wunsch nach einer noch intensiveren und konzentrierteren Arbeit geäußert, vor allem von Leuten mit langjähriger Spielerfahrung, die das Improvisationstheater nicht nur als Amateure betreiben, sondern neben- oder hauptberuflich ihren Lebensunterhalt damit bestreiten. Für diese spezielle Zielgruppe mit professionellerem Anspruch bietet Schmitt seit 2010 in enger Zusammenarbeit mit Roland Trescher (isar148, München) die sogenannte „MasterClass“-Variante an.
Das Konzept für die MasterClass wurde von Trescher entwickelt. Die Teilnehmer erhalten in kleineren Gruppen (max. 9 Personen pro Workshop) ein einwöchiges intensives und individuelles Improcoaching. Der erste Tag beginnt mit einem gemeinsamen Impro-Jam aller Teilnehmer unter der Leitung von Trescher und seinem Co-Trainer. Im nächsten Schritt werden die persönlichen Wünsche und Ziele jedes Teilnehmers ermittelt. Auf diesen Grundlagen wird dann ein maßgeschneidertes Trainingskonzept für die folgenden Workshop-Tage entwickelt und die Teilnehmer werden in Absprache mit beiden Trainern in zwei parallel laufende Gruppen aufgeteilt, die dann 3 Tage von jedem Trainer unterrichtet werden. Um ein einheitlich hohes Niveau zu gewährleisten, werden die Plätze für die MasterClass im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens vergeben. Zielgruppe sind Teilnehmer, die auf mindestens 5 Jahre Improerfahrung, Workshops bei mindestens 3 verschiedenen Trainern, mindestens 50 eigene Impro-Auftritte und Erfahrung mit mindestens 4 verschiedenen Spielformaten zurückblicken können.
Auch mit dieser Neuerung bewies der umtriebige Schmitt den richtigen Riecher: Die zweite MasterClass, die im Juni 2011 mit Trescher und seinem diesjährigen Co-Trainer Lorenz Kabas (Theater im Bahnhof, Graz) wieder auf Mallorca stattfand, war schnell ausgebucht. Und auch bei den zwei noch bevorstehenden Classic Impro-Camps dieses Jahres – Ende Juli und Ende August 2011, wieder auf Mallorca – sind schon seit Monaten sämtliche Plätze vergeben. Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Termine für 2012 bereits feststehen:
23. – 30. Juni: MasterClass / Mallorca
21. – 28. Juli: ImproHotel / Mallorca
28. Juli – 4. August: ImproCamp / Rügen
25. August – 1. September: ImproHotel / Mallorca
Viele Impro-Camp-Teilnehmer sind übrigens Wiederholungstäter, manche waren sogar schon vier oder fünf Mal dabei. Die Autorin dieses Artikels kann die Impro-Camps aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als Teilnehmerin (Classic 2007 und MasterClass 2011) sehr empfehlen. Man darf gespannt sein, was 2012 geboten wird!
Weitere Infos gibt’s hier:
Homepage Impro-Camps
Impro-Camps auf Facebook
(Alle Fotos in diesem Artikel wurden freundlicherweise von Ralf Schmitt und verschiedenen Workshop-TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt.)