Fliegende Funken Festival Bremen

JUST! IMPRO​ - ​Film Dubbing Show (Fotos: Julia Eckhoff)
JUST! IMPRO​ – ​Film Dubbing Show (Fotos: Julia Eckhoff)

von Julia Eckhoff

„JUST!IMPRO“ -Impro-Synchro-Show

Im Rahmen des „Fliegende Funken Festivals“ in Bremen zeigten vier Mitglieder der Gruppe „Improv Prag“ am 09.09.2016 ihr Format „JUST! IMPRO“, Untertitel: Film Dubbing Show. Der Name war Programm: Es gab tatsächlich Film-Dubbing (z.Dt.: Neuvertonung), und es war tatsächlich einfach Impro.

Talking heads als Showkonzept

Den Bühnenhintergrund bildete eine Leinwand, auf die zwei- bis vierminütige Ausschnitte bekannter Filme (z.B. Pretty Woman) projiziert wurden, über die die am Bühnenrand hockenden Schauspieler neue Dialoge legten. Dafür erfragten sie sehr genau Vorgaben, wie zum Beispiel ‚Einen Grund, nach 22 Uhr draußen zu sein’, für eine nächtliche Szene zwischen Taxifahrer und Passagier. Die Schauspieler kannten die Filmausschnitte offenbar recht gut. Die Schwierigkeit für sie bestand darin, dass sie die Dialoge zu Vorgaben aus dem Publikum improvisierten, und sich gelegentlich weitere Herausforderungen verpassten.
Zwischen die Vertonungen waren klassische short-form games geschaltet, die thematisch zum Synchronisieren passten –oder auch nicht. So spielten sie unter anderem eine Variante der „Pressekonferenz“, bei der sie auch die Leinwand nutzen, aber auch „Das erste Date“ mit einem Pärchen aus dem Publikum und andere Klassiker.

Breites Wohlwollen


Generell war es die interaktivste Show des Festivals. Ständig nach Vorgaben gefragt oder direkt durch den Moderator adressiert, war das Publikum über die gesamten ~1,5 Stunden an der Show beteiligt. Und das kam an. Spielerisch war es sicherlich qualitativ streitbar, was allerdings auch an der Sprachbarriere liegen könnte (sie spielten auf Englisch). Allerdings ist das Showkonzept ein Comedy-Format, das man sich durchaus für die Zusammenstellung eines Kurzformauftritts merken kann.

Ungewöhnlich weil einfach

Gerade während eines Festival-Programms ist es immer wieder auffällig: Wenn sich Improspieler in Langform austoben, scheinen sie häufig aus den Augen zu verlieren, es auch für nicht-Spieler ansprechend zu halten. Technisch trickreich, avantgardistisch und mit „Topwerten in der B-Note“ ist es eben schwieriger, ein breites Publikum zu entzücken. Vielleicht auch, weil die Spieler –ob bewusst oder unbewusst– mit den zuschauenden Impros eine Gemeinschaft bilden, die Insiderwissen teilt, von dem der Rest der Zuschauer ausgeschlossen ist. In dem Sinne war „JUST!IMPRO“ die inklusivste Show des Fliegende Funken Festivals 2016.

Kolektiv Narobov
Kolektiv Narobov

„Public Opinion“ beim FFF 2016

Beim Fliegende Funken Festival 2016 feierten Gregor Moder und Sonja Vilč vom Kolektiv Narobov aus Slowenien Premiere mit ihrem Format „Public Opinion“. Die 1,5-stündige Show war ein Schlagabtausch zwischen zwei Wissenschaftlern, Prof. Dr. Gregor Moder und Prof. Dr. Sonja Vilč, moderiert von Gunter Lösel vom Improtheater Bremen, der für diesen Anlass ebenfalls seinen Doktortitel hervorgekramt hatte. Es wurde auf Englisch gespielt.

Backgroundstory

Die Legende war, dass Moder und Vilč vor zwei Jahren gemeinsam ein Buch veröffentlicht hatten, dabei allerdings einer nur das Vorwort beigesteuert, während der andere die restliche gemacht hatte. Darüber zerstritten trafen sie nun zum ersten Mal nach zweijähriger Funkstille wieder aufeinander, und zwar im Rahmen einer Debatte, in der sie zu unterschiedlichen philosophischen und gesellschaftskritischen Fragen Stellung bezogen. Dabei buhlten die beiden um die Gunst des Publikums.

Was sich neckt das liebt sich

Es wurden keine Vorgaben aus dem Publikum eingeholt. Der Host, Dr. Lösel, gab nacheinander insgesamt fünf Themen vor, zu denen sich Moder und Vilč äußerten: Sex –natürlich oder unnatürlich, Leben nach dem Tod, Burkini vs. Neoprenanzug, Essen, Kinderkriegen –pro oder contra. Die Debattanten hatten jeder ein Stehpult, traten aber zum Sprechen in der Regel in die Mitte vors Publikum. Nach jedem Thema entschied das Publikum per Geräuschpegel (summend), wer überzeugender gewesen war. Im Laufe der Show entspann sich die Hintergrundlegende weiter. Es wurde klar, dass die beiden Kontrahenten einmal ein Paar gewesen waren und somit auch verletzte Gefühle eine Rolle spielten. Dementsprechend wurde es auch mal „hässlich“ (z.B. durch Stifte schmeißen, bissige Bemerkungen, usw.). Am Ende jedoch versöhnten sie sich: Die Show endete mit einer Umarmung der beiden.

Kann man bringen

Es ist ein ungewöhnliches Format, denn improvisieren war eigentlich nicht nötig. Maximal am Ende, als noch ein paar Zuschauerfragen zugelassen wurden, kam ein Hauch von Impro auf. Auch die Liebesgeschichte der beiden war wenig überraschend, wie auch das versöhnliche Ende. Interessanterweise, machte das nichts! Durch den beruflichen Hintergrund der beiden Schauspieler (beide sind promovierte Geisteswissenschaftler) konnten sie die Debatte sehr eloquent und glaubwürdig führen. Da das Format vorgab, dass das Publikum permanent direkt adressiert wurde, geriet die Show sehr kurzweilig, es wurde viel gelacht. Ich habe viele gefragt und jeder fühlte sich gut unterhalten, auch wenn bei den Antworten sehr oft der erste Satz war „Ich weiß noch nicht recht, was ich davon halten soll…“. Diese Einschränkung ist sicherlich vor allem darauf zurückzuführen, dass es eben nicht „richtig“ Impro war. Aber muss es das sein, um unterhaltsam zu sein? Pecha-Kucha und Powerpoint-Karaoke erfreuen sich immer größerer Beliebtheit –das kann man auch theatralischer haben, und dann kommt wohl ein Format wie „Public Opinion“ dabei heraus. Nichts, bei dem Improspieler mit Zettel und Stift im Publikum sitzen, um sich Techniken abzugucken, aber nichtsdestoweniger in der Lage, die Zuschauer zu entzücken. Und ist das nicht der Sinn einer Show?

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