IMPRO 2016: A Place To Be am Zeitgeschehen

Internationales Festival Impro 2016 Berlinvon macro:

BERLIN – Vorinformiert durch den Artikel “A Place To Be war unpolitisch” sah ich mir die zweite Show im English Theater an, mit dem geschärften Blick auf den un/politischen Gehalt.

Die Regie sichert den politischen Kurs

Die Mechanik war wohl wie am Abend zuvor: das Format Superszene mit Regisseur*in und Zeitungstexten, die auf der Bühne vom jeweiligen Regisseur erstmalig gelesen werden konnten. Sie ließen sich etwas mehr Zeit und statteten dann schon sehr konkret an Hand der Vorgaben des Artikels ihre jeweiligen Szenen aus. Drei weitere Szenen folgten, bevor die Zuschauer demokratisch eine Szene bestimmen mussten, die ausscheidet.

Place to be
Moderator Lucien Bourjeily mit den Regisseuren Farah Shaer, Tarek Kannish, Thomas Chemnitz, Lee White

Ich empfand die Regieaufgabe zentraler als üblich. Die Vorgaben der Szenen wurden sehr nah umgesetzt, das es schon in Richtung Playback ging. Die Regie holt die Spieler ggf. wieder zurück und verhindert so das Abdriften, und trug Sorge dafür, dass der zentrale Punkt ihrer Geschichte verhandelt wurde. Durch das sehr enge Korsett der Geschichten schien es, das die Spieler mehr Zeit für ihre Charaktere hatten und vor allem in den Geschichten von Farah Shaer (Impro Beirut) und Lee White (CRUMBS, Winnipeg) durchgehend sehr stark wirkten.

Markerschütternd Raouf Khelifa und Camilla Frey
Markerschütternd Raouf Khelifa und Camilla Frey

Gerade diese beiden sehr starken Stränge hatten etwas gemeinsam: die Möglichkeit des Publikums sich mit dem Thema zu konnekten. In einer Geschichte fanden ein Flüchtling und eine Deutsche die Liebe zueinander (Raouf Khelifa – Impro Beirut, Maja Dekleva Lapajne – Kolektiv Narobov, Ljubljana). Die sich durch Eifersucht vom Flüchtlingsunterstützer zum biederen Egoisten wandelnde Figur von Thomas Chemnitz (Die Gorillas, Berlin) stemmt sich dagegen. Hier begegnen sich Gegensätze und zeigten kleine Kulturschocks für alle Seiten.

Ganz und gar nicht seicht gerät die Geschichte einer Familie, deren 20 Monate altes Baby abgeschoben wird. Wir sehen die Trennungsdramatik beklemmend eindrucksvoll gespielt von Camilla Frey (Det Andre Teatret, Oslo) und Raouf Khelifa. Diese Szene machte erschütternd klar, welche Schicksale die aktuelle Situation produziert und machte sie vor allem fühl- und einschätzbar.

Reflektionen nach der Show

Und obwohl hier und da ein flüchtiges Lachen im Publikum zu hören war, war in allen Gesichtern der Ernst und das Mitfühlen mit den verkörperten Menschen spürbar. In den Momenten direkt nach dem Ende der Show bildeten sich viele Gruppen noch im Theaterraum. Jeder schien nach Verbindung zu suchen und es wurde erst sehr zaghaft und dann engagierter über die Szenen gesprochen. Hier sehe ich die politische Wirkung durch die Nähe am Zeitgeschehen. Das Theater zeigt das Leben, es ist Leben und es wird auch so reflektiert. Es bietet einen Ansatz um darüber zu kommunizieren. Es war heute nicht das spontane Theater was brilliert, sondern die Wuchtigkeit des Inhalts sorgte für den Nachhall in den Köpfen.
Moderator Lucien Bourjeily bei einer demokratischen Abstimmung Tarek Kannish, Lee White, Vasiliki Kissa Camilla Frey, Raouf Khelifa, Maja Dekleva Lapajne

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