Amsterdam Improfestival – Beerdigung, Babylon, Bad Boys, Bewegung und Brot

switch to english versionvon Thomas Jäkel und macro:

AMSTERDAM – Der Mittwoch (28.01.2015) des 20. International Improvisation Theater Festivals Amsterdam versprach eine große Bandbreite an Shows und Showformaten. Auf dem Programm stand neben einem Talk gleich zum Beginn zwei sehr unterschiedliche Formate, an die das Ensemble präsentierte.

The Wake blickt zurück

Mit The Wake eröffnete das Ensemble die Abendshows um 20 Uhr. Das Setting ist eine Beerdingung – und zwar die des Hauptcharakters, welchen das Publikum aussuchte. Die Wahl fiel auf einen arroganten Fleischer, der seine Familie tyrannisierte. Die Trauergäste saßen um eine große Tafel, erfragten ihre Erinnerungen und spielten diese dann in Rückblenden, die bis hin zum Eingeständins führten, dass der Tod ein Rachemord war.

Vielleicht führte die Einseitigkeit des Hauptcharakters, der von Torgny Gerhard Aanderaa wirklich als ein vollwertiges Arschloch gespielt wurde, dazu, dass man etwas das Interesse am Toten verlor und ganz einverstanden war, dass er nicht mehr lebte. Leider war nach 35 Minuten Schluss und der Punkt, dass der eingenstandene Mord niemanden zu schockieren schien, hätte gut der Auftakt eines abendfüllenden Stückes sein können.

Translation übersetzt nicht wörtlich

Warum das von Randy Dixon entwickelte Festivalformat Translation heißt, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Die Idee ist es Improspieler*innen aus aller Welt konsequent in ihrer Sprache miteinander spielen zu lassen. Das führt unweigerlich zu einer babylonischen Sprachverwirrung, die man eher Lost in Translation nennen sollte. Auf der Bühne und zum Zuschauen bringt diese Beschränkung der Kommunikation aber unheimlich viel Spaß.

Besonders viel wurde natürlich gelacht, wenn zum Beispiel das Niederländische Publikum den einen Teil der Unterhaltung verstand, aber die Reaktionen in Philipien oder Hebräisch einfach nicht passten. Das wunderbare aber an Translation ist, dass es die Improvisierer*innen zu einer ausdrucksstarken Körperlichkeit zwingt. So fanden immer wieder Inbal Lori und Nils Petter Mørland zu rhythmischen und stark bewegten Sequenzen zusammen, die man sonst selten sieht. Und Translation gab noch einen wunderbaren Einblick in die kulturell unterschiedlichen Spielweisen.

3 for all – Road to Neverland

3 For All
Der Headliner des Abends war zweifelsfrei das in San Francisco beheimatete Trio “3 for all“. Mit Rafe Chase, Tim Orr und Stephen Kearin standen 19 Jahre Impro als Trio auf der Bühne und diese Eingespieltheit sah man den dreien an. Im Stile eines Films der 40er Jahre spannten sie eine Geschichte mit vielen Bad Boys, deren einzige Vorgabe der Titel war. Zu Beginn ließen sie zwischen den Vorschlägen aus dem Publikum Yesterday, Tomato und Road to Neverland abstimmen, wobei letzteres erwählt wurde – aber die anderen beiden Titel fanden später auch Eingang in den Abend.

Ausgehend von einer harmlosen Verkaufssituation entwickelten sie eine Geschichte um Verrat, Entführung und Misstrauen deren Verwicklungen am Ende so umfassend wurden, dass sie diese in einem Traum auflösten. Doch auch hiermit gaben sie sich nicht einfach zufrieden, sondern sprangen zum Anfang zurück und deuteten an, dass nun der Alptraum wahr werden könnte. Dieses Motiv, dass sie sich als Improvisierer nicht mit der einfachen Lösung zufrieden geben, sondern stets noch etwas weiter gingen, bestimmt ihr gesamtes Spiel.

Die Stärke von “3 for all” ist jedoch definitiv ihre Aufmerksamkeit. Sie selbst beschreiben es so, dass sie stets darum ringen wahrhaft miteinander verbunden zu sein. Letztlich ist das die Grundlage der Improvisation, die Offenheit und das Vertrauen in die anderen. Kleinste Unstimmigkeiten, anfängliche Mißdeutungen, überraschende Behauptungen wurden konsequent genutzt und bespielt. Selbst als sie zum Ende hin das Klingeln der Ladentür aus der ersten Szene nicht wiedererkannten, ignorierten sie dies nicht einfach, sondern legten das stattdessen lieber für alle offen.

Mit der beschriebenen Einigkeit, trauten sie sich in Wandlungsfähigkeit und Charaktervielfalt extrem viel zu. So spielte jeder von ihnen über lange Strecken des Abends mindestens 2 Charaktere gleichzeitig, ohne dabei die Übersicht zu verlieren. Dieses Stück hatte wirklich für alle etwas: Spannung, Spiel und hochkarätiges Impro!

Sten Rudstrom – Action Theater Solo

Sten Rudstrom
Sten Rudstrom begrüßte zu seinem Action Theater Stück jeden Besucher am Eingang persönlich per Handschlag. Eine Geste die sich ungewöhnlich und gut anfühlt, schließlich schafft das Nähe zwischen Spieler und Publikum. Zu Anfang seines Solos erklärt Sten, das die Performance aus Bewegung, Geräusch und Worten besteht, idealer Weise zu jeweils gleichen Teilen. Dabei kann die Verteilung in einzelnen Segmenten trotzdem asymetrisch sein.

Begonnen wird ohne Vorgabe, einfach ein Wechsel zur Bühnenspannung schafft ein klares Anfangssignal. Es wechseln gesungene, gesprochene und bewegte Teile einander ab, ebenso wie Dynamik und Intensität, Spannung und Entspannung alternieren. Die Komposition und der Wille zur Gleichverteilung ist spürbar. Sten spielt mit großer physischer Presenz. Vieles bewegt sich eher auf der dunklen Seite von Charakteren oder philosophischen Betrachtungen, eher assoziativ zusammenhängend. Der Drift in beängstigende, wahnsinnige Gestalten ist schauspielerischer und emotionaler Höhepunkt. Die Show weiß die gesamt knappe Stunde auch ohne konkretes Thema zu fesseln.

Spit – Silly People’s Improv Theater aus Manilla

Mit Spit standen zwei Vertreter des asiatischen Improtheaters auf einer der Late Night Bühnen des IMPRO Amsterdam Festivals. Sie fragten nach Erfahrungen und Vorurteilen, die sie zu wahren Monologen über Manila, die Philippinen, ihre Gesellschaft und Kultur inspirierten. An diese Monologe schlossen sich einzelne Szenen an, welche die Themen kritisch und persönlich beleuchteten.

Am interessantesten waren aber die Geschichten über ihr Land und die Vergleiche zur Kultur. So erfuhren die Zuschauer beispielsweise, was die Beiden während des Papstbesuches taten, das sie hier in Amsterdam an nichts Manila erinnert und das es viele Götter für Brot gibt. Genau dieser kulturelle Austausch ist es, der ein internationales Festival so wertvoll macht.

Thomas Jäkel
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