BERLIN – Am Abend des 28. März 2014 wurden im English Theatre Berlin zwei Festival-Formate mit einem gemischten Festival-Cast aufgeführt: Die erste Hälfte Fantasy, in der zweiten Hälfte Tarantino. Die Vorstellung war restlos ausverkauft.
Tarantino – Gangster in Anzügen, zugedröhnte Kleinganoven und durchgeknallte Fahrradfreaks
Die Tarantino-Show hat mir sehr gut gefallen. Auch, wenn tatsächlich das eingetreten ist, was ich vorher befürchtet hatte, nämlich, dass wir eigentlich eine Abwandlung von Pulp Fiction gesehen haben, was allein schon an den Schauplätzen (vom Publikum per Zufallszahl ausgewählt + per Dia eingeblendet) zu sehen war: Eine Garage. Ein versifftes Wohnzimmer voll mit Computerspielen und Bongs. Ein Parkhaus. Ein Diner / Restaurant. Looks familiar? Aber auch die Figuren waren stereotyp Pulp Fiction: Zwei Gangster in schwarzen Anzügen (Randy Dixon und Tobias Zilliacus), die permanent über banalen Quatsch sprechen. Ein etwas durchgeknallter Fahrradfreak (Sebastien Chambres) und seine naive, leicht dümmliche Freundin (Tess Degenstein). Der Gangsterboss (Lucien Bourjeily). Zugedröhnte Kleinganoven. Ein paar bekannte Elemente aus der Pulp Fiction Geschichte hinzugefügt (wie: Ein Koffer voll Geld, der bei den Kiffern sein sollte, es aber in die Garage des Fahrradfreaks geschafft hat. Eine Pistole der Gangster geht aus Versehen in der versifften Bude hoch. Die Schwester des Gangsterbosses wird aus Versehen angefahren und erstmal im Kofferraum verstaut.), ein paar Bananen als oberkrasse Knarren, das Ganze durchgequirlt und fertig ist der improvisierte Pulp Fiction. Sehr amüsant, sehr unterhaltsam anzusehen.
In ihrer Rolle sehr gut gefallen haben mir Randy Dixon (Unexpected Productions, Seattle, USA) und Tobias Zilliacus (Stella Polaris, Helsinki, Finland) als Gangster, sowie Sebastien Chambres (Impro Infini, Brest, Frankreich) als wirrer Fahrradfreak. Besonders heraus heben möchte ich auch die Performance von Jill Farris (Unexpected Productions, Seattle, USA) einmal als völlig durchgeknallte Drogensüchtige auf Turkey und das andere Mal als Fahrer des Gangsterbosses Joe – fantastisch! Tess Degenstein (Bad Dog Theater, Toronto, Kanada) spielte ebenfalls (ich muss fast schon sagen: gewohnt) großartig und herzzerreißend die Rolle der „Virginity“, die am Ende, wie in der Eröffnungsshow auch schon, mit dem Koffer voll Geld in den Sonnenuntergang fährt.
Fantasy – Heldenreise in Reinkultur
In der Fantasy Show hatte ich das Gefühl, mit einer Mischung aus Herr der Ringe und Harry Potter konfrontiert zu sein. Lee White (mit wallenden Haaren und Umhang) machte den Erzähler und gleichzeitig Regisseur der Geschichte und lässt das Publikum auf einer handgemalten Karte eines Fantasielandes entscheiden, wo die Geschichte beginnen soll. Im „Forrest of Hope“ („Wald der Hoffnung“) werden dann unsere Heldin (Maria Adele Attanasio, Voci e Progetti, Siena, Italien) und ihr Sidekick (Simone Schwegler, Harri Olli, Zürich, Schweiz) vorgestellt. Von dort begeben die beiden sich auf eine abenteuerliche Reise, bei sie zuerst einen grobschlächtigen Unterstützer (Jeron Dewulf, De Improfeten, Antwerpen, Belgien) finden, der sie von nun an begleiten soll. Ziel der Mission ist es, „den, dessen Name nicht genannt“ (!) werden darf ein für alle Mal den Garaus zu machen, um den „Forrest of Hope“ vor dessen feindlicher Übernahme zu bewahren. Aus „dem, dessen Name nicht genannt werden darf“ wurde im Verlauf der Show „der, dessen Name nicht buchstabiert werden kann / ausgesprochen werden kann / gewusst werden kann“, was ich als angenehm auflockerndes Element empfand. Ausdrucksstarke unterstützende Figuren (u.a. von Patti Stiles, Mignon Reme oder Roland Peter) sorgen als Mütter, Zauberer und magische Wesen dafür, dass die Geschichte rund wird. Am Ende erfüllen die beiden Mädchen natürlich ihre Mission. Dass Lee White hier als Erzähler seine Finger im Spiel hatte, wundert mich überhaupt nicht. Als alter Star-Wars und Harry-Potter-Fan dürfte das wohl „sein“ Genre gewesen sein.
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Was hat denn deiner Meinung nach gefehlt, damit der Tarantino-Stil besser herausgearbeitet wird.
Ich kann’s schlecht sagen, was gefehlt hat, denn dazu müsste ich verschiedene Tarantino-Filme eingehender analysieren, um typische, gemeinsame Elemente heraus zu arbeiten. Er hat halt deutlich mehr als “Modern Crime” (Pulp Fiction, Reservoir Dogs, vielleicht noch From Dusk Till Dawn) gemacht, und ich finde es schade, dass das Genre immer nur darauf reduziert wird. Mich würde eben mal interessieren, welche Elemente in Tarantino-Filmen egal welcher Couleur vorkommen, und das auf der Bühne sehen – kein Impro-Re-Make von Pulp Fiction, Kill Bill oder Django Unchained.