Impro 2014: Movie Clapper – innovative Verquickung von Film und Impro

Impro 2014von Claudia Hoppe:

Am Abend des 22. März 2014 fanden sich im Kreuzberger “English Theater Berlin” vier Spieler (Calle Stenlund, Ad lib improviserad teater, Stockholm; Kirsten Sprick, hidden shakespeare, Hamburg; Tess Degenstein, Bad Dog Theater, Toronto, Kanada; Wolfgang Lüchtrath, The Koenigs International, Köln), ein Moderator (Robert Munzinger, die Gorillas) und ein Musiker (Gilly Alfeo, Springmaus, Bonn) des Festival-Ensembles ein, um gemeinsam eine Show mit dem Titel “Movie Clapper” zu improvisieren. Die Show bestand aus zwei Hälften, deren erste mich aufgrund ihrer Neuheit im Hinblick auf die Verknüpfung von Film und Impro absolut begeistert hat. In der zweiten Hälfte wurde mit dem Format Super-Szene eher Impro-Standard gezeigt.

Eingerahmt wurde der gesamte Abend vom Moderator Robert Munzinger, der mit Jackett, Hemd und Fliege auftrat, im Sinne einer Oscar-Verleihung. Anfänglich erklärte er dem Publikum, dass es um die Verleihung zweier Preise, des Clip-Clappers in der ersten Hälfte sowie des Movie-Clappers in der zweiten Hälfte ging, anschließend bat er Musiker und Spieler auf der Bühne. Auch der Techniker wurde vorgestellt, denn er sollte in den nächsten Minuten eine zentrale Rolle spielen: Während der nächsten fünf Szenen erlebte das Publikum eine absolut organische Verquickung von Film und Impro, die ich so noch nicht gesehen habe.

Hätte kaum besser sein können

Als erstes sehen wir auf der großen Leinwand am hinteren Ende der Bühne den ca. zweiminütigen Trailer eines Horrorfilms. Anschließend entscheidet sich das Publikum, den Mittelteil dieses Filmes sehen zu wollen, und so sehen wir die vier Spieler, wie sie dem Horrorstreifen aus dem Trailer echtes Leben einhauchen und die Geschichte um die im Haus verschacherte Mutter der kindlichen Protagonistin vor unseren Augen entstehen lassen.

In der nächsten Szene ist Musiker Gilly Alfeo von zentraler Bedeutung: In Analogie des allseits beliebten Zettelspiels werden hier auf Fingerzeig der Spieler Filmzitate (kleine Soundschnipsel aus Filmen, jeweils ein Satz) eingespielt, die dann in die Szene eingebaut und natürlich gerechtfertigt werden müssen. Mit der Vorgabe “Hochzeit” sehen wir die Vorbereitung zu einer selbigen die damit endet, dass die beiden Protagonisten (Tess Degenstein + Wolfgang Lüchtrath) nackt heiraten werden.

Flamenco-Tänzer (Foto: Matthias Fluhrer - www.flupix.de)
Flamenco-Tänzer (Foto: Matthias Fluhrer – www.flupix.de)

Im dritten “Filmformat” hören wir ein Lied von Kirsten Spick: Angetrailert wird wieder ein Ausschnitt aus einem Film, in dem sich eine feurige Flamenco-Schönheit anschickt, ein Lied zu singen. Gerade als sie den Mund zur ersten Note öffnen will, wird der Film gestoppt und das Lied (“The price of roses” – der Preis der Rosen) wird von Kirsten Spick im Stile des Flamencos zum Besten gegeben. Abgerundet wird die Performance von zwei männlichen Tänzern.

Nun folgt mein erster persönlicher Höhepunkt des Abends: Die Woody Allen Szene! Angespielt wird eine Szene  aus einem (mir nicht bekannten) Woody Allen Film, der dem Aussehen nach auf die 70er Jahre zu datieren ist. Wir sehen zwei befreundete Pärchen beim Dinner in einem New Yorker Restaurant, Woody Allen erklärt den Anwesenden gerade, wie man in Asien Reis mit Stäbchen isst und macht sich dabei zum Nappel. Nach ca. 60 Sekunden wird der Film gestoppt und die vier Spieler aufgefordert, die Szene weiter zu spielen, was die vier (Wolfgang Lüchtrath in der Rolle von Woody Allen) mit Bravour bewerkstelligen! Die Art, wie hier der Duktus und die Themen aus Woody Allens Filmen aufgenommen wurden, und auch das Zusammenspiel der vier Spieler untereinander, wie sie sich die Bälle hin und her werfen, hätte kaum besser sein können! Highlight der Szene das Ende, in welchem die Frauen empört aufstehen und das Lokal verlassen wollen mit dem wunderbaren Abschlusssatz von Kirsten Sprick: Warum wollt Ihr denn jetzt schon gehen, wo wir uns gerade so prächtig unterhalten?

Michael Caine synchronisisert von Calle Stenlund (Foto: Matthias Fluhrer - www.flupix.de)
Calle Stenlund synchronisisert Michael Caine (Foto: Matthias Fluhrer – www.flupix.de)

In der Publikumsbeliebtheit nur knapp getoppt wurde die Woody-Allen-Szene von der nun folgenden, fünften Szene des Abends, in der zwei Spieler live einen Filmschnipsel synchronisieren. In dem mir unbekannten Streifen sehen wir Michael Caine und eine blonde Schauspielerin, die von Tess Degenstein und Calle Stenlund synchronisiert werden. Inhaltlich geht es (soweit ich mich erinnere) um die Umgestaltung des gemeinsamen Hauses, aber der Inhalt macht für mich nicht die Freude an dieser Szene aus: Die Präzision, mit der die beiden Spieler die meiste Zeit die Schauspieler auf der Leinwand synchronisieren, und deren physische „Reaktion“ wiederum auf das eben Gesagte – verblüffend! Als hätten die Spieler den Ausschnitt bereits gekannt (wovon ich ausgehe, dass dies nicht der Fall ist). Am Ende des Abends soll diese Szene den Clip-Clapper gewinnen.

Da offenbar noch Zeit bis zur geplanten Pause ist, wird die Preisverleihung jetzt mit dem Format „Schlagerstar“ abgerundet, bei dem der aus Norwegen stammende Sänger Ole (Wolfgang Lüchtrath) einen Countrysong mit dem Titel „I’m a stranger“ („Ich bin ein Fremder“) zum besten gab und anschließend vom Moderator noch kurz auf Gromolo-Norwegisch interviewt wurde. Das Interview übersetzte Musiker Gilly Alfeo.

Fünf Sterne und einen Oscar

Finale der Superszene (Foto: Matthias Fluhrer - <ahref="http://www.flupix.de">www.flupix.de</a>)
Finale der Superszene (Foto: Matthias Fluhrer – www.flupix.de)

In der zweiten Hälfte sehen wir das Format „Superszene“ bei dem die vier Spieler abwechselnd Regie führen. Gewinnen wird der Streifen von Tess, in dessen Finale wir dann auch Robert Munzinger spielen sehen. Schön fand ich die Idee des Genres „Dokumentarfilm“, das ich glaube ich noch nie vorher auf der Impro-Bühne gesehen habe, sowie die Art, in der Tess Degenstein ihren Actionstreifen inszeniert hat. So stelle ich mir die Arbeit des Regisseurs in der Superszene eigentlich vor, nämlich als Erzähler der Geschichte. Zusammen mit Tess‘ Bühnenpräsenz, welche die Zuschauer vom Hocker haut, gewannen sie und ihre Geschichte den Movie-Clapper.

Insgesamt war ich von der Innovationskraft, wie in der ersten Hälfte Vorgaben aus dem Film mit Impro verbunden wurden, ziemlich bezaubert. Die Art, wie hier das Medium Film und Impro-Theater auf äußerst organische Weise miteinander verbunden wurden, habe ich so noch nicht gesehen und würde ich mir jedes Wochenende anschauen. Fünf Sterne und einen Oscar für diese innovativen Ideen, Vorgaben aus dem Film in Impro-Szenen zu nutzen!

Claudia Hoppe