Die Pixar-Storytelling-Regeln

von Stephan Holzapfel:

Die Pixar Animationsstudios sind mit Trickfilmen wie Toy Story, Findet Nemo, Monster AG, Wall-E und Ratatouille berühmt geworden. Emma Coats, 26, war dort Autorin und hat ihre Erkenntnisse aus dieser Zeit nach und nach als kurze Storytelling-Regeln getwittert. Ihre 22 Regeln haben im Internet inzwischen eine große Verbreitung gefunden.

Einige dieser Regeln sind nur für Autoren, viele jedoch lassen sich 1:1 aufs Impro übertragen (Nr. 1, 4, 6, 8, 10, 13, 15, 16, 18, 19, 21). Nr. 8 und Nr. 18 klingen wie von einem Improspieler geschrieben. Andere von Coates Regeln können uns zumindest Anregungen geben. Spannend finde ich Nr. 12, weil sie der Improregel, das Naheliegende zu nehmen, klar widerspricht. Aber auch beim Impro kann es auf Dauer ermüdend sein, immer den ersten Einfall zu spielen.

Hier sind die Regeln im englischen Original und in einer deutschen Übersetzung:

Original:

1. You admire a character for trying more than for their successes.

2. You gotta keep in mind what’s interesting to you as an audience, not what’s fun to do as a writer. They can be v. different.

3. Trying for theme is important, but you won’t see what the story is actually about til you’re at the end of it. Now rewrite.

4. Once upon a time there was ___. Every day, ___. One day ___. Because of that, ___. Because of that, ___. Until finally ___.

5. Simplify. Focus. Combine characters. Hop over detours. You’ll feel like you’re losing valuable stuff but it sets you free.

6. What is your character good at, comfortable with? Throw the polar opposite at them. Challenge them. How do they deal?

7. Come up with your ending before you figure out your middle. Seriously. Endings are hard, get yours working up front.

8. Finish your story, let go even if it’s not perfect. In an ideal world you have both, but move on. Do better next time.

9. When you’re stuck, make a list of what WOULDN’T happen next. Lots of times the material to get you unstuck will show up.

10. Pull apart the stories you like. What you like in them is a part of you; you’ve got to recognize it before you can use it.

11. Putting it on paper lets you start fixing it. If it stays in your head, a perfect idea, you’ll never share it with anyone.

12. Discount the 1st thing that comes to mind. And the 2nd, 3rd, 4th, 5th – get the obvious out of the way. Surprise yourself.

13. Give your characters opinions. Passive/malleable might seem likable to you as you write, but it’s poison to the audience.

14. Why must you tell THIS story? What’s the belief burning within you that your story feeds off of? That’s the heart of it.

15. If you were your character, in this situation, how would you feel? Honesty lends credibility to unbelievable situations.

16. What are the stakes? Give us reason to root for the character. What happens if they don’t succeed? Stack the odds against.

17. No work is ever wasted. If it’s not working, let go and move on – it’ll come back around to be useful later.

18. You have to know yourself. The difference between doing your best & fussing. Story is testing, not refining.

19. Coincidences to get characters into trouble are great; coincidences to get them out of it are cheating.

20. Exercise. take the building blocks of a movie you dislike. How d’you rearrange them into what you DO like?

21. You gotta identify with your situation/characters, can’t just write ‘cool’. What would make YOU act that way?

22. What’s the essence of your story? Most economical telling of it? If you know that, you can build out from there.

Deutsch:

1. Man bewundert eine Figur mehr für den Versuch als für den Erfolg.

2. Überlege, was dich als Zuschauer interessieren würde, nicht als Schreiber. Das kann sehr verschieden sein.

3. Der Versuch, der Geschichte ein Thema zu geben ist wichtig, aber erst am Ende sieht man wirklich, worum es geht. Dann schreibe deine Geschichte um.

4. Es war einmal…, jeden Tag…, eines Tages jedoch…, deswegen…, deswegen…, bis schließlich…

5. Vereinfache. Fokussiere. Kombiniere Charaktere. Überspringe Umwege. Es wird sich anfühlen, als ob Wertvolles verloren geht, aber es gibt dir Freiheit.

6. Was kann deine Figur gut oder womit fühlt sie sich wohl? Konfrontiere sie mit dem absoluten Gegenteil. Fordere sie heraus. Wie geht sie damit um?

7. Beschäftige dich mit dem Ende, bevor du dich um die Mitte kümmerst. Enden sind schwer.

8. Bringe deine Geschichte zu Ende. Lass los, auch wenn sie nicht perfekt ist. Mach es nächstes Mal besser.

9. Wenn du nicht weiter kommst, schreibe auf,  was als nächstes sicher nicht passieren wird. Oft kommst du auf etwas, was dich weiter bringt.

10. Analysiere die Geschichten, die du magst. Was du an ihnen magst ist, ein Teil von dir. Erkenne das, bevor du es benutzt.

11. Aufschreiben heißt Verbessern. Aber – wenn es als perfekte Idee in deinem Kopf bleibt, wird nie jemand davon erfahren.

12. Verwirf das erste, was dir einfällt. Und das zweite, dritte, vierte und fünfte. Räum das Offensichtliche aus dem Weg. Überrasche dich selbst.

13. Gib den Charakteren Überzeugungen. Ein passiver oder sich ständig anpassender Charakter ist leicht für dich als Schreiber aber Gift für dein Publikum.

14. Warum musst du genau diese Geschichte erzählen? Was glaubst du, was deine Geschichte unbedingt braucht? Das ist das Herz deiner Geschichte.

15. Wenn du selbst deine Figur in dieser Situation wärst, wie würdest du dich fühlen? Ehrlichkeit verleiht unglaublichen Situationen Glaubwürdigkeit.

16. Was steht auf dem Spiel? Gib uns Gründe, mit der Figur mitzufiebern. Was passiert, wenn sie scheitert? Gib ihr schlechte Erfolgsaussichten.

17. Keine Arbeit ist umsonst. Wenn es nicht funktioniert, leg es beiseite und versuch was anderes. Kann sein, dass es sich später als nützlich erweist.

18. Du musst dich kennen. Erkenne den Unterschied zwischen „dein Bestes geben“ und pingelig sein. Geschichte ist Versuch, nicht Veredelung.

19. Zufälle, die Figuren in Schwierigkeiten bringen, sind super. Zufälle, die sie von Problemen befreien, sind Schummelei.

20. Übe. Nimm die Teile eines Films, den du nicht magst. Was würdest du mit ihnen machen, damit du ihn magst?

21. Identifizier dich mit den Figuren und Situationen. Schreibe nicht „cool“. Was würde dich so handeln lassen?

22. Was ist die Essenz deiner Geschichte? Wie kannst du sie auf ganz einfache Weise erzählen? Wenn du das weißt, kannst du darauf aufbauen.

Hier noch ein Artikel über Emma Coats und ihre Regeln.

Zwackelmann

One thought on “Die Pixar-Storytelling-Regeln”

  1. Das mit dem “ersten Einfall” finde ich beim Impro schon sinnvoll, wir machen die ganzen Übungen zum Assoziieren, damit die Einfälle auf der Bühne einfach schneller da sind.

    Ein Buchautor hat immerhin Zeit, eine halbe Stunde lang Einfälle zu sammeln und den besten davon in seiner Story zu verwursten.

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