IMPRO12: Crumbs – Die Leichtigkeit der Improvisation

von Dan Richter:

BERLIN – In den letzten zehn Jahren haben sich die kanadischen „Crumbs“ in die Herzen der Berliner improvisiert. Von hier erweiterten sie immer mehr ihren Aktionsradius und sind inzwischen wahrscheinlich das erfolgreichste Ensemble in Europa. Und so ist es kein Wunder, dass sich bei ihrem Auftritt im Heimathafen Neukölln am Montag die halbe Berliner Improszene die Klinke in die Hand gibt. Anfänger, Laien, Profis, jeder ist hier, weil man weiß, hier ist bestaunenswerte Improvisation garantiert. Ihr guter Ruf eilt ihnen so weit voraus, dass sie schon ihr Auf-die-Bühne-Kommen lässig zelebrieren, wie der späte Elvis.

The Crumbs Foto: macro

Zwei Vorschläge aus dem Publikum: „Geburt“ und „Surfen“ (obwohl wir natürlich wissen, dass die Crumbs auch ohne auskommen würden) inspirieren die beiden zu zwei szenisch abwechselnd gespielten Langformen: Einer tragischen Story um ein Paar, das mit dem Kinderkriegen hadert, nur um dann, als sie sich dazu durchgerungen haben, festzustellen, dass die Frau unfruchtbar ist. Die andere Geschichte verhandelt die Beziehung eines begnadeten Surfers und einem Jungen, der sich vom Außenseiter zum Helden mausert.

Mit jeder Show, die ich von den Crumbs sehe, wächst meine Achtung vor ihnen. Diesmal hat es mir die Einfachheit ihrer Szenen angetan. Alles fügt sich organisch. Nichts wirkt ausgedacht oder konstruiert. Und wenn die Story im düstersten Abgrund gelandet ist, und man sich fragt, wie die beiden da noch das Steuer rumreißen wollen, tun sie es mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die in der Improvisation ihres gleichen sucht. Für eine Langform bemerkenswert: Jede Szene hat ihren Wert, keine dient lediglich nur als Baustein für einen Plot. Das Publikum dankt es den beiden von Herzen: Alle fünf Minuten donnernder Szenenapplaus.

The Crumbs Foto: macro

Manchmal hört man hier und da unter Improvisierern, die Crumbs hätten wieder mal „nur ihre Show“ gespielt. Sicherlich zählen die beiden nicht zu den Form-Avantgardisten. Sie spielen comedy-angereicherte Melodramen, die DJ Hunnicut vielleicht manchmal etwas fett emotional doppelt. Aber das hat Chaplin auch getan, und wer hätte ihm das vorwerfen wollen? Improvisierer, schaut euch die Crumbs an! Lernt von ihrer Leichtigkeit. Lernt, dass man etwas zu sagen haben sollte. Lernt, dass es darauf ankommt, wie man es sagt. Von den Crumbs lernen heißt improvisieren lernen.

Noch mehr Fotos von der Show der Crumbs.

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One thought on “IMPRO12: Crumbs – Die Leichtigkeit der Improvisation”

  1. Was mich beeindruckt hat war, wie nah sie auch an den Vorgaben geblieben sind. In der Surf-Story ging es in wirklich jeder Szene um Surfen. In “normalen” Impro-Shows dient die Vorgabe als Inspiration oder die Geschichte startet von da – häufig spielt die Vorgabe schon in der 2. Szene einer Langform keine Rolle mehr. Schön, wie die Crumbs hier die Vorgabe als roten Faden – als Backbone – der Geschichte beibehalten haben, und dann die eigentliche Geschichte als Fleisch um diesen Backbone gesponnen haben.

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