Drei Berliner in Amerika – Gorillas go Chicago

von Stephan Holzapfel:

“Ein Glück, das hätten wir hinter uns gebracht”, schnauft Robert Munzinger, nachdem er zusammen mit Billa Christe und Tom Jahn mehrere Minuten zu lauter Musik wild getanzt hat. “In Chicago ist die Gruppe ‘Two men, no Show’ so auf die Bühne gekommen und das wollten wir unbedingt auch ausprobieren”, erklärt er den ungewöhnlichen Show Auftakt nach der Pause. “Aber die waren 10 Jahre jünger als wir”, ergänzt Tom Jahn.

Lust am Ausprobieren

Auch diese Selbstironie und die Lust am Ausprobieren sind es, die die 3 Gorillas in der Special-Show “Chicagorillas” am 25.11.11 sympathisch machen. Vor allem aber ihre große Spielfreude. Sie sind entspannt, sie sind schnell, sie sind im Moment und mit Spaß dabei. Gibt es doch mal ein Missverständnis wird selbstironisch gelächelt oder eine launige Bemerkung gemacht. Das liebt das Publikum, wahrscheinlich weil es dann spürt, dass improvisiert wird, und dass die Spieler locker bleiben, obwohl etwas schief geht. Werden diese ironischen Distanzierungen überreizt, schlägt die Wirkung schnell ins Gegenteil, so wohldosiert aber erhöhen sie den Charme.

Vor der Pause spielen die drei eine Oper, ein Brecht-Weill-Musical, ein Pina-Bausch-Tanztheater und ein Filmgenre (hier: Thriller), haroldartig verschränkt, bis auf das Tanzstück alles zweiteilig. Diese Form war der Gorilla-Beitrag für das “Second City”-Festival in Chicago und lässt vermuten, dass in Amerika auch Genres präsentiert werden sollten, die dort mit Deutschland verbunden werden.

Knisternde Spannung

Beim Improtheater ist Adaptieren und Parodieren ja äußerst beliebt. Spannend ist die Frage, ob das Ergebnis auch funktioniert, wenn man das Original nicht kennt. Beim Thriller war das an diesem Abend der Fall. Die aufgebaute Spannung brachte selbst die bei jeder Kleinigkeit lachende Dame in der zweiten Reihe zum verstummen.

Die Spieler zeigten einen Mann, der gerade seinen Chef ermordet hat und in stürmischer Nacht zu seiner schwangeren Frau zurückkehrt. Plötzlich erscheint ihm – unsichtbar für seine Frau – der Geist des Ermordeten. Einerseits war es storytellingmäßig etwas inkonsequent, dass der Geist im zweiten Teil keine Rolle mehr spielte und stattdessen ein menschlicher Rächer die Szene betrat. Andererseits war dieser für die Geschichte ergiebiger, da auch die Frau mit ihm interagieren konnte – natürlich kannten sich alle drei Figuren, Rächer und Ehefrau hatten mal was zusammen.

Die Gorillas zeigen im zweiten Teil der Geschichte, was sie können: die Angst und Bedrohung der Figuren werden deutlich spürbar, das Publikum hält stellenweise den Atem an. Außerdem stimmt der Rhythmus und es gibt Überraschungen – die Frau schlägt sich scheinbar auf die Seite des Rächers um ihm dann plötzlich die Waffe zu entwenden. Beklemmend auch Billa Christes abschließendes “Wir werden immer für dich sorgen”-Lied für das Ungeborene, nachdem ihr “Mann” den zweiten Mord begangen hat. Das Baby als Inbegriff des Unbelasteten, Unschuldigen verstärkt im Kontrast die Gewalt und Schuld der Eltern.

Schönes Schauspiel

Es sind aber auch die kleinen Details, die Freude machen. Wie Robert Munziger z.B. pantomimisch eine Waffe lädt, ist an sich schon sehenswert. In einer anderen Szene spielt er einen Jugendlichen. Ohne dass Robert offensichtlich etwas “macht”, sieht man plötzlich einen lässig-schlunzigen Halbwüchsigen vor sich. Besonders wirkungsvoll, weil nicht überzeichnet. Gutes Schauspiel bereichert Improszenen ungemein.

Albern und schief – die Oper

Ganz anders die “Oper” – sicher kann es auch den besten Sängern mal passieren, dass sie schief singen. Aber hier schien es mir, dass es den Spielern sowieso nicht so wichtig war. Ein bisschen Rauf- und Runterjodeln, ein bisschen bedeutungsschweres Knödeln – fertig ist die Opernparodie. Schön, wer darüber lachen kann, für alle anderen bleibt wenig übrig. Natürlich ist Oper schon im Original eine oft skurrile, manchmal vielleicht sogar lächerliche Kunstform. Aber – sie ist eben auch ästhetisch und emotional berührend. Die Impro-Parodie (nicht nur der Gorillas) versucht es noch nicht einmal, gefragt wird bewusst nach einem banalen Problem (hier: Laufmasche).

Natürlich sind Impro-Spieler keine Opernsänger, aber Tom Jahn hat durchaus eine beeindruckende Bassstimme. Sehr gerne würde ich ihn mal einen sinistren Bösewicht oder alten König singen hören, Rollen, die in der Oper eben von Bässen verkörpert werden. Doch der Klamauk-Modus wird leider nicht in Frage gestellt.

Zahnpasta-Blues

Nachdem die Gorillas in der zweiten Hälfte Formen spielen, die sie bei anderen Gruppen auf dem Chicago-Festival gesehen haben, beendet Tom Jahn die Show mit einem Blues. Und der ist richtig cool! Rauchige Stimme, fetter Sound, yeah! (Keyboard: Felix Raffel) Schade nur, dass Tom Jahn wieder nur über ein banales Problem singen möchte (Zahnpasta leer). Klar, ganz witzig. Kann man machen. Aber könnte man nicht auch mal ein echtes Problem zum Thema machen?

Wenn man bedenkt, dass beim Blues mitunter sogar auch improvisiert wird, hätte das Improtheater hier die Chance, sich mit einer großen Kunsttradition wirklich zu verbinden, statt sie immer nur zu parodieren.

Zwackelmann