IWT: Herausforderung Pause – frei.wild mit Foxy Freestyle

von Stephan Holzapfel:

Impro Wildcard Turnier Plakat

BERLIN – “Wir fordern euch zu einer Szene mit der besten Pause heraus!” Diese ambitionierte Vorgabe des frei.wild-Teams illustriert das improvisatorische Niveau dieses Abends: überdurchschnittlich. Ninja Schröder und Roland Fauser von frei.wild sowie Stefanie Winny und Paul Moragiannis von Foxy Freestyle sind bestens aufgelegt und spielen mit großer Präsenz und Energie. Die Schauspieler sind sehr wach und arbeiten geschickt zusammen, zügig aber nicht hektisch werden Situationen definiert und vorangetrieben. “Da war ja einiges vorbereitet”, vermutet eine ältere Dame, die zum ersten Mal Impro sieht – das sollte als Kompliment gewertet werden. Echtes Scheitern ist an diesem Abend nicht zu sehen im gut gefüllten, wenn auch nicht ausverkauftem Grünen Salon. Wenig Zögern, keine Verlegenheitswitzchen.

Komödie – ernsthaft gespielt

Überhaupt – obwohl naturgemäß das Komödiantische dominiert, vermeiden die Akteure billige Albernheiten und spielen die Herausforderungen als freie Szenen. Eine dieser Herausforderungen verlangt, dass “Männer Frauen und Frauen Männer spielen, aber ohne in Klischees zu verfallen.” Eine andere Szene spielt “an einem Ort, den noch kein Mensch betreten hat”.

Zum Highlight des Abends werden für mich jedoch die beiden Szenen “mit der besten Pause”. Frei.wild spielt eine Nachhilfesituation, bei der eine Zwölftklässlerin nicht mehr 3+4 rechnen kann. “Eigentlich bin ich wegen etwas anderem hier”, sagt sie schließlich”, “ja, warum denn”, meint der Lehrer. Laaaaange Pause, bei der beide schweigen, aber natürlich körpersprachlich eine Menge passiert. “Ich liebe Sie!” spricht sie dann, der Lehrer reagiert unbeholfen-abweisend, darauf verlässt die Schülerin wutenbrannt den Raum mit den Worten “Drei plus vier ist sieben!” Ein super Schluss, alles ist damit gesagt, ohne dass es explizit ausgesprochen wird.

Die beiden Foxys kontern mit einem Wildwest-Duell, für die lange Pause vor den Schüssen finden die Spieler spontan ein “Spiel”: der Sheriff zieht sein Armband aus, der Bandit lockert darauf seine Krawatte. Der Sheriff schleudert seinen Gürtel weg, der Bandit tut es ihm nach. Das Publikum jubelt. Dann Schüsse, beide sterben. Bis dahin kein origineller Schluss, doch der Bandit sagt im Sterben: “eigentlich mochte ich dich immer.” Schön, denn durch die kleine Bemerkung wird rückblickend plausibel, dass Sheriff und Bandit immer gemeinsam in dreckiges Gelächter verfielen. Von den Spielern wahrscheinlich rein intuitiv als Imitationsspiel etabliert, bekommt es erst am Ende konkrete Bedeutung für die Story. Zudem bringt der Schlusssatz einen Hauch Tragik in die Geschichte, eine dunkle Marmorierung in die helle Komödie und dadurch eine gewisse Tiefe.

Das Publikum mag die Foxy-Szene lieber. Ja, sie war witziger, vielleicht sogar origineller, aber besser? Nein, nur anders gut. Zudem ließen sich die Foxys nur den Namen des Banditen geben, legten das Western-Genre selber fest und damit faktisch auch die Pause – sie vor die Schüsse des Duells zu legen ist mehr als naheliegend. Hier wurde schon etwas mehr geplant, was ich persönlich nicht schlimm finde. Hauptsache die Szene wird improvisatorisch entwickelt.

Fragwürdige Bewertungen

In den ersten Szenen ist die Bewertung des Publikums eindeutig, später wird sie quasi ununterscheidbar, zu gleichwertig sind die Gruppen, vielleicht sind die frei.wildler schauspielerisch einen Hauch besser, die Foxys dagegen etwas komischer. Bei der Beurteilung der gemeinsamen Szenen bekomme aber nicht nur ich Bauchschmerzen. „Sie haben jetzt die unangenehme Aufgabe…“ beginnt Moderator Dominik. Allerdings! Kooperierten beide Teams eben noch zur Freude des Publikums, soll dieses sich nun zum Richter aufschwingen und die einen Spieler über die anderen erheben. Mag das in anderen Fällen theoretisch möglich sein, ein ungutes Gefühl ist programmiert.

„Befremdlich“ fand die Dame, die zum ersten Mal beim Impro ist, diese Bewertungssituation, sie habe sich dann aber „auf das Spiel eingelassen.“ Wie fand sie es, dass das Publikum zum lautstarken Mitmachen animiert wurde? „Naja, ich komme ja aus Oldenburg, da haben wir eine etwas andere Mentalität.“

Theater oder Sport

Ich muss im Grunde Oldenburger sein, denn auch ich finde nicht, dass der Mensch erst durch Lautstärke zu sich kommt. Obwohl das mit diesen Spielern ohne weiteres möglich gewesen wäre, vertraut der Abend dann doch nicht allein auf die Kraft improvisierten Theaters, sondern versucht die Stimmung durch improübliche Spielereien zu pimpen. Die letzte Geschichte, von den Spielern wieder recht eindrucksvoll gestaltet, wird z.B. als Tempo-Replay wiederholt. Da rennen die vier dann hektisch und ohne Fokus fast wie die Anfänger über die Bühne. Ja, das ist Sport, Theater ist es eher nicht mehr. Ich langweile mich und hoffe, dass auch das momentan noch ekstatisch trampelnde Publikum irgendwann das Interesse an solcher Effekthascherei verlieren wird.

Um aus so einem Replay Theater zu machen, müsste man es wahrscheinlich sehr ruhig und konzentriert spielen, für die Eckpunkte der Geschichte starke Bilder finden und dabei nur noch einzelne Sätze oder Wörter sprechen. Konzentration statt Geschwindigkeit. Kunst statt Sport.

Das Match endet unentschieden. Ich aber gehe mit Gewinn nach Hause.

Zwackelmann