IMPRO2011: Absurdes Improtheater – Reloaded

von Marco:

Nachdem ich in der ersten Hälfte des Impro-Festivals die Compagnie Combats Absurdes mit ihrer “Im Stile von… Ionesco” Performance auf der Bühne gesehen hatte und tief beeindruckt war (siehe mein Bericht dazu auf Impro-News), war ich sehr gespannt, wie es Matthieu Loos in seinem 3-tägigen Workshop zu dem Thema gelungen war, diese Art der Improvisation auch dem Festivalensemble nahe zu bringen. Wie Matthieu in unserem Interview sagte, war es auch für ihn ein großes Experiment.

Und für meinen Geschmack hat das Experiment hervorragend funktioniert! Die fünf deutschen Schauspieler gingen in der Vagantenbühne mit merklichem Respekt und vollem Engagement zur Sache, immer wieder durch Regieanweisungen von Matthieu (“sie fällt in tiefe Trauer…”) unterstützt. Dankenswerter Weise (ich denke, ich spreche da für das gesamte Publikum) wurden noch einmal die grundlegenden Elemente des absurden Theaters von Ionesco – und damit auch die Vorgaben für das Format – erläutert: Die Geschichte spielt den ganzen Abend an einem einzigen Ort und kreist letztendlich um ein einziges existenzielles Thema. Als Vorgabe wurde das Publikum um einen Traum gebeten, aus dem der Raum (in diesem Fall ein Zugabteil) und eine Schlussszene (die Hauptperson will aus dem Raum flüchten, kann aber nicht) extrahiert wurden.

Damit ging es dann los, es wurden wieder viele Requisiten auf die Bühne geschafft: Stühle zur Etablierung des Raums, Bücher (aus denen zwischendurch immer mal wieder vorgelesen wurde), Äpfel, Kartenspiele, die dann in der Folge wechselseitig und teilweise mit unterschiedlicher Deutung bespielt wurden. Sehr schön war, wie die Figuren sich Zeit ließen, ihren Charakter und das Verhältnis zu den anderen Spielern zu definieren (Zwillinge – das doppelte Lottchen, der Opa, eine Tochter, die Putzfrau, der Schaffner). Gerade in der Anfangsphase entstanden viele ruhige Szenen mit viel non-verbalem Spiel oder einfach nur gehaltener Spannung. Als Kontrapunkt hierzu gab es immer wieder Monologe, die sich bis ins Hysterisch steigern oder auch Dialoge zu einem mehr oder minder abwegigen oder auch tief philosophischen Thema (“Ist jeder Opa auch immer ein Vater oder umgekehrt oder sollte er es zumindest sein?”).

Gut erkennbar auch die Absicht, durch stark wirkende, physische Aktionen (alle auf der Bühne befindlichen Figuren entwickeln eine körperliche Obsession zu Mitspielern oder Gegenständen; ein Apfel wird von einer Spielerin oral vergewaltigt) zu provozieren und Akzente zu setzen.

Dabei ging alles nicht ganz so weit, war nicht ganz so konsequent, wie es die Compagnie Combats Absurdes in ihrem Auftritt vorgelegt hatten, aber es war definitiv spannend. Und es trug problemlos über die ganzen 90 Minuten, ohne langweilig zu werden. Und, für mich persönlich ein wichtiges Kriterium, ich verließ die Vorstellung mit dem Gefühl, Teil einer Schöpfung, einer Geburt von etwas Neuem gewesen zu sein. Etwas, was sich die Spieler auf der Bühne zu dem Thema erkämpft und erliebt hatten.

Ich möchte mehr davon sehen! Dank an Tabea Herion (Drama Light), Karin Werner, Rashid Sidgi (beide Theaterturbine Leipzig), Regina Fabian, Luise Schnittert, Leon Düvel (die Gorillas) und natürlich auch Harry Hawaii (der für die spannende Hintergrundmusik sorgte) und Matthieu Loos (für den Mut zum Risiko!).