Website-Icon Impro-News.de

Improtheater mit Köpfchen

Im alten und einst beliebten Format der Zeitungsdiskussion hat uns von Stephan Holzapfel eine Antwort auf Mandy Johns Artikel “Verkopftes Improtheater” geschickt. Wir veröffentlichen diese hier gern, da wir die Diskussion bereichernd und von allgemeinem Interesse finden.

von Stephan Holzapfel:

Womit ich mit Mandy John und allen Kommentatoren übereinstimme, ist, dass „richtig“ und „falsch“ keine sehr hilfreichen Kategorien beim Impro sind. Wer beim Spielen schon einmal Angst hatte, etwas falsch zu machen, weil einem die eigenen Ansprüche oder die der Mitspieler im Nacken saßen, weiß, dass da manchmal gar nichts mehr geht.

Insofern ist der Titel „Theatersportspiele, aber richtig“ vielleicht etwas missverständlich. Statt „richtig“ und „falsch“ sollte man vielleicht eher von „wirkungsvoll“ und „weniger wirkungsvoll“ sprechen. Wobei „Wirkung“ sehr individuell ist: was dem einen Zuschauer die Lachtränen in die Augen treibt, lässt den anderen nur genervt mit denselben rollen. Jedoch bin ich sicher, dass es gerade bei den von mir beschriebenen Spielen nicht nur um Geschmacksunterschiede geht.

Welcher Zuschauer findet einen Gebärdendolmetscher, der nur kleine Bewegungen mit den Händen macht besser als einen, der mit dem ganzen Körper spielt? Will man lieber einen unenergetischen Experten sehen, der schüchtern herumrät, während seine Hände die immer gleichen Bewegungen machen? Oder doch eher einen, der ausdrucksstark und variantenreich spielt?

Oder allgemeiner:

–          Wer findet Gleichförmigkeit besser als Abwechslung?

–          Wer findet Starrheit besser als Bewegung?

–          Wer mag Vorhersehbarkeit lieber als Überraschung?

Niemand muss improtheoretische Artikel lesen. Doch jeder sollte Anregungen und Verbesserungsmöglichkeiten suchen, auf welche Art auch immer. Denn die Offenheit des Improtheaters  bietet zwar unendliche Möglichkeiten, in der Praxis landen wir aber doch schnell wieder beim Bewährten, bei dem, was nahe liegt, bei dem, was wir immer gemacht haben. „Funktioniert doch“, denken wir, denn das Publikum lacht. Zumindest hört man Lachen, doch sollte man nicht vergessen, dass gelangweilte Blicke und Augenrollen unhörbar sind. Und ein Publikum, dass bei einem nachlässig gespielten Spiel bereits lacht, würde bei einem gut gespielten vielleicht vor Begeisterung toben. Und eine Gruppe, die im Schnitt 15 Zuschauer hat, würde bei einer besseren Show vielleicht 50 haben.

Reicht “einfach Spaß haben” aus?

„Spaß“ ist sehr wichtig, aber ist mein Spaß automatisch der des Publikums? Darauf würde ich mich nicht verlassen, so gesehen geht es eben nicht nur um „das Spielen an sich“, das sich selbst genügt. Wir spielen für andere, also sollten wir bedenken, was für diese anderen mehr und was weniger wirkungsvoll ist.

“Einfach Spaß haben” wollen wohl alle, doch für manche hört der Spaß bei größerem Anspruch und intensiverem Einsatz auf, während er für andere da erst beginnt. Doch wen will das Publikum lieber sehen? Eine frische, junge “Einfach-Spaß-haben”-Gruppe kann viel attraktiver sein als ein vom Ehrgeiz zerfressenes Ensemble. Wenn die ehrgeizige Truppe allerdings trotz hoher Ansprüche locker und spielfreudig bleibt, wird sie wohl letztlich besser sein.

Hanswurst-Theater?

Am meisten bin ich beim Lesen des Artikels „Verkopftes Improtheater“ über die Aussage gestolpert, dass man beim Improtheater so schön „herumblödeln“ kann. Das genau ist das Problem, dachte ich. Theatersport = Blödelei. Nicht immer, aber auch nicht selten. Manche Impro-Shows scheinen mir in der Tradition des alten derben Hanswurst-Theaters zu stehen. Immer feste druff, der Schrillste gewinnt. Ich finde, das muss nicht sein. Ein Beispiel: im Genre-Replay-Artikel habe ich geschildert, dass bei „Horror“ die Spieler häufig sofort als fiese Monster auftreten, statt die Szene positiv zu beginnen und dann die Idyllle durch den Schrecken zu zerstören. Wer regelmäßig auftritt und auch nach der zehnten Horrorszene als Monster auf die Bühne wankt, der interessiert sich offensichtlich nicht wirklich für das Genre, das er zu spielen vorgibt.

Ist das ein Problem?

Für viele nicht. Für manche schon. Ich z.B. will keine Spieler sehen, die sich offensichtlich für das, was sie spielen, nicht richtig interessieren. Ich schenke ihnen meine Aufmerksamkeit und erwarte, dass sie ihr Bestes geben und nicht einfach nur Herumblödeln. Dann ist es auch ok, wenn Szenen scheitern. Und selbst, wenn man nicht so weit gehen möchte, das Genre als „falsch“ gespielt zu bezeichnen – erst Idylle, dann Einbruch des Schreckens ist auch dramaturgisch besser. Denn Entwicklung und Kontrast sind wesentliche Aspekte von Theater, von Kunst allgemein. Und das finden dann womöglich sogar die Leute besser, die mit dem ungenauen Genre kein Problem hatten.

Die mobile Version verlassen