Impro-Gedanken #2

von Marco:

Gedanken sind flüchtig, manchmal bündeln sie sich aber auch in unvorhergesehener Weise mit neu Erlebtem zusammen, bilden einen Klumpen und lassen einen nicht mehr los. So erging es mir mit folgendem Impro-Gedanken, den ich schon im Januar aufgeschrieben, allerdings noch nicht veröffentlicht hatte:

“Man liest ja so einiges als Improspieler. Unter anderem auch Bücher, die nicht von Improvisation handeln. So habe ich beispielsweise gerade mal wieder ein sehr inspirierendes Buch über Zen-Buddhismus vor der Nase gehabt. Wie ich mich so lesend in diese Jahrtausende alte Lehrtradition hinein versetzte, fiel mir plötzlich etwas Bemerkenswertes auf: Die wesentlichen von Buddhisten empfohlenen Übungen zur geistigen Weiterentwicklung schulen dieselben Fähigkeiten, die auch von Impro-Trainern immer wieder bemüht werden: Achtsamkeit (“fortgesetzte, vollständige und bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments”) und die Eindämmung der ständigen (planenden) Gedanken an Zukunft und Vergangenheit, die uns dabei behindern, frei und flexibel im aktuellen Moment zu leben und zu agieren.

Während im Buddhismus diese Fähigkeiten durch spezielle Meditationstechniken und (speziell im Zen-Buddhismus) den Geist neutralisierende sowie die Intuition fördernde paradoxe Aussagen (Koans) geübt werden, versuchen Impro-Lehrer die Schüler mit Spiel-Vorgaben davon abzuhalten, Szenen vorauszuplanen und mahnen sie zur ständigen Aufmerksamkeit gegenüber ihren Mitspielern und dem “Groupmind”.

Nicht, dass ich jetzt der Gründung einer neue Impro-Religion Vorschub leisten will, aber nachdenkenswert finde ich diese Parallelen schon. Vielleicht helfen die im Impro eingeübten Handlungsweisen ja bei der Erreichung des vollkommenen persönlichen Glücks (und das ist dann auch der tiefere Grund, warum immer mehr Menschen überhaupt Improtheater spielen!). Vielleicht können buddhistische Techniken andererseits auch das Impro-Training bereichern. Wie wär’s z. B. mit einer 15-Minütigen gemeinsamen Kurzmeditation vor Auftritt oder Training? In der Literatur oder im Internet habe ich bislang noch nichts zu diesem Thema gefunden. Vielleicht hat das aber auch seinen guten Grund.”

Wie gesagt, das ist 3 Monate her. Seitdem hat mich zunächst Dan Richter darauf hingewiesen, dass Stephen Nachmanovitch in seinem Buch “Das Tao der Kreativität: Schöpferische Improvisation in Leben und Kunst” (übrigens aus dem Englischen übersetzt von Dan) entsprechende Parallelen zieht (ich muss allerdings zugeben, dass ich es noch nicht geschafft habe, dieses Buch zu lesen). Endgültig überzeugt hat mich dann ein Zufallsfund über zwei amerikanische Improspieler, die seit mehr als 2 Jahren einen Podcast über Impro UND Zen-Buddhismus publizieren. Sehr viele gute Anregungen. Mehr sei hier allerdings nicht verraten, das kommt in einem Extra-Post, damit es sich nicht mit meinen Impro-Gedanken vermischt.


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