IMPRO 2010 – wenn die Musik dirigiert

von Thomas:

DJ Hunnicutt bei "What would the DJ do?" - Foto: Thomas
DJ Hunnicutt an den Turntables bei "What would the DJ do?" - Foto: Thomas

Donnerstagabend im Mehringhof Theater, das sich nur halb füllen will. Der Name der Show im Rahmen des internationalen Festivals IMPRO 2010 fragt mehrdeutig: “What would the DJ do?” Die Antwort liegt auf der Hand, Musik spielen, und das wird DJ Hunnicutt, der seit Jahren mit den Crumbs aus Kanada arbeitet, auch tun. Aber die Idee des Formats geht noch viel weiter, der DJ soll das Heft in die Hand nehmen und mit seinen Mitteln Regie führen.

Um den etwas zurückhaltenden Zuschauern zu demonstrieren, was das bedeutet, wird die erste Hälfte ein Art Schau der Möglichkeiten: In der ersten Szene sollen die Spieler auf ein Rückspulgeräusch reagieren und sofort eine neue Wahl treffen. Als zweites wird ein kurzes Scratchen als Signal für einen Rollenwechsel (die Spieler auf der Bühne tauschen die Rollen) und ein langes als Signal des Wechsels zwischen Spielern auf der Bühne und der Bank eingeführt. Es ist recht amüsant, die Profis an solch einem Spiel scheitern zu sehen. Als drittes folgt unter der Überschrift “Pump-Up und Slow-Down” die Anweisung, bei intensiver (lauter) Musik alles mit mehr Inbrunst zu spielen und bei langsamer Musik die Handlung in Zeitlupe durchzuführen – vielleicht war eine der Anweisungen in dieser Szene zu viel. Denn von einer bewussten Slowmotion war nichts zu erkennen. In der vierten Szene wurde ein Tanzthema (Song) eingeführt, zu dem die Spieler sobald es auftauchte tanzend weiterspielen sollten. Zusätzlich wurde noch die “ausfadende” Stille angesagt, in die ein Monolog hineingesprochen werden sollte. Die folgende Szene in einem Emergency Room (Notaufnahme) war dann auch entsprechend bewegt. Schließlich wurde in der fünften Szene eine emotionale Änderung der Charaktere anhand der Musik gefordert – hier wurde offensichtlich, wie schnell sich Musik überhören lässt – besonders wenn es an Monitorboxen fehlt, wie Stephen Sim sagte, der durch den Abend führte. Es könnte aber auch daran gelegen haben, dass die Englisch sprechenden Festivalgäste sich immer wieder auf die deutschen Szenen und Szenenteile konzentrieren mussten. Als sechstes folgte nun das “Song Thema”, bei dem einer Geschichte ein Lied zugewiesen wird. Der DJ konnte nun beliebig zwischen den Liedern und damit zwischen den Geschichten hin und her wechseln und die Schauspieler mussten reagieren. Eine an sich sehr elegante Schnitttechnik.

Spickzettel von "What would the DJ do?" - Foto: Thomas
Spickzettel von "What would the DJ do?" - Foto: Thomas

In der Pause fühlte sich die erste Hälfte etwas mehr nach einer Probe an, als nach einer Improshow. Das könnte daran liegen, dass die Schauspieler lediglich eine Stunde vor der Vorstellung Zeit zur Vorbereitung hatten und keinen Workshop, wie es eventuell notwendig gewesen wäre. Die zweite Hälfte sollte nun all diese Techniken zusammenbringen. Dafür wurden Vorgaben für drei Geschichten eingeholt: Fotomodell, Höhle sowie Bruder und Schwester. (Stephen Sim trug übrigens die erklärende Einführung in einem Rap vor!)

Jede der Geschichten wurde mit einem Song als Leitmotiv verbunden und DJ Hunnicutt hatte die Aufgabe, zwischen den Geschichten hin und her zu wechseln. Dies gelang leider nur selten gut. Entweder nahmen die Spieler die Impulse durch die Musik nicht wahr, weil sie entweder zu leise oder auch zu ähnlich waren – die Songs der Fotomodell- sowie der Bruder-und-Schwesterngeschichte waren erst nach dem zweiten Hinhören richtig zu unterscheiden. Auch dass die Songs permanent unter den Szenen liefen, gab ihnen eine Art Beliebigkeit, die nur selten zur Entwicklung beitrugt. Auf der anderen Seite übernimmt mit diesem Setting an Möglichkeiten der DJ die Position des Moderators – er schneidet,  weist Entscheidungen der Spieler zurück, moduliert Tempo und Richtung – mit dieser Verantwortung fühlte sich der DJ in einigen Momenten sichtlich unwohl, besonders wenn seine Impulse von den Spielern  falsch gedeutet wurden oder er in der hauptsächlich deutschen Höhlengeschichte einfach nicht wusste, wann er etwas tun konnte oder sollte.

Auf Nachfrage sagte DJ Hunnicutt, dass es für ihn auch das erste Mal war, dass er als eine Art Regisseur eingegriffen hat. Die großartigen Spieler (besonders erwähnt sein hier Helena Zetterman (Improvements), Inbal Lory und Ilan Popko (Lama Alpaka) sowie Billa Christe (Gorillas)) machten dieses Experiment dennoch zu einem Erfolg, der zeigt, dass Musik tatsächlich als editorisches Werkzeug beim Improtheater eingesetzt werden kann. Jedoch ist dafür offenbar etwas mehr Handwerk erforderlich, um Musik nicht nur als Background wahrzunehmen. Sowohl die Darsteller wie der DJ müssen sich über ihre Aufgaben klar sein. Hier gilt es also noch weiter zu experimentieren. Wir dürfen also gespannt sein.

Thomas Jäkel
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