Interview mit dem Kritiker Zwackelmann

Wir sprachen mit unserem Impro-News.de-Kritiker Herrn Zwackelmann, dessen Besprechungen neben Freude und Lob auch Kritik und vor allem eine allgemeine Diskussion zum Thema “Wie sollte man improvisiertes Theater besprechen?” auslösten.

Impro-News: Hallo Herr Zwackelmann, was zurzeit die Impro-News.de-Leser am meisten interessiert ist sicher, wer steckt hinter Zwackelmann. Verraten Sie uns bitte, (auch wenn es den Spannungsbogen vorschnell abknickt) wie sie wirklich heißen.

SH: Ich heiße Stephan Holzapfel und bin 37 Jahre alt.

Impro-News: Sie spielen selbst Improtheater. In welcher Gruppe spielen Sie und wer waren Ihre Lehrer?

SH: Ich spiele bei den Unverhofften und den Peperonis. Ich habe 2003 mit Impro angefangen und seitdem diverse Kurse gemacht, vor allem bei den Gorillas und bei Deniz Döhler.

Impro-News: Was machen sie, wenn sie sich nicht mit Impro-Theater befassen?

SH: Beruflich moderiere ich Rundfunksendungen über klassische Musik für Kinder und Einsteiger und zusätzlich auch Familienkonzerte auf der Bühne. Wie beim Impro versuche ich hier bunte Unterhaltung und Anspruch zu verbinden. In meiner Freizeit nehme ich noch Gesangsunterricht, wobei mir die Gesangstechnik leider sehr schwer fällt. Gerade miste ich meine Wohnung aus, denn ich möchte bald mit meiner Freundin zusammenziehen.

Impro-News: Was fasziniert Sie an Impro-Theater?

SH: Wenn es beim Spielen gut läuft, komme ich in einen Zustand von großer Entspanntheit und großer Konzentration gleichzeitig. Das ergibt ein völliges Aufgehen im Moment. Ich mag das Körperliche am Theater und die Möglichkeit, extreme Haltungen einzunehmen. Im Alltag bemühe ich mich um Ausgeglichenheit und Ruhe, auf der Bühne spiele ich gerne Figuren, die z.B. von ihren (negativen) Emotionen fortgerissen werden. Es ist manchmal schön, so etwas zu spielen, denn im richtigen Leben möchte ich natürlich nicht, dass negative Emotionen zu viel Macht über mich bekommen. Allerdings spiele ich auch gerne Tiere. Vielleicht, weil sie sehr körperlich gespielt werden müssen. Leider bin ich momentan dazu nur eingeschränkt in der Lage.

Und ich mag witzige Szenen und Spiele, bei denen die Figur bemüht ist, sehr selbstsicher zu erscheinen, obwohl sie keine Ahnung hat (Reklamation u. Armrede, bei der eine Erfindung vorgestellt wird). Auch das Zettel-Spiel mag ich, da die Figur einen völlig unpassenden Satz als ihren verkaufen muss. Ich mag Komik, die aus so einer Spannung erwächst, vielleicht weil es im Leben auch häufig so zugeht: der Boden schwankt, doch man zeigt tapfer Haltung. Ich möchte mein Leben im Griff haben, doch tatsächlich liegen viele Dinge außerhalb meiner Kontrolle. Außerdem freue ich mich sehr, wenn es uns gelingt, Geschichten schlüssig, dicht und vielleicht sogar überraschend zu entwickeln und sie zu einem stimmigen Ende bringen. Ich scheitere beim Spielen darin leider noch häufig. Aber wenn es gelingt, ist es ein echtes Glücksgefühl.

Schön am Impro finde ich, dass man seine eigenen Ideen spielt und keinen fremden Text. Und ich mag es, sich zum Spielen nicht vorbereiten zu müssen. Mein Job besteht nämlich zu 90% aus Vorbereitung, die eigentliche Moderation nimmt dagegen wenig Zeit ein.

Impro-News: Haben Sie Vorbilder? Warum und wer sind diese?

SH: Ich nehme mir jeden zum Vorbild, der so spielt, wie ich es auch gerne können würde.

Impro-News: Warum haben Sie sich entschlossen Kritiken auf Impro-News.de zu schreiben?

SH: Da kommt vieles zusammen. Zum einen ist mir Impro-Theater im letzten halben Jahr sehr wichtig geworden. Ich hatte letztes Jahr eine gesundheitliche Krise, die durchaus existenziell war. Seitdem fühle ich mich beim Impro besonders lebendig und habe viel mehr Lust als früher, auch existenzielle Konflikte im Impro-Theater darzustellen und anzuschauen. Als ich von Impro-News erfuhr, hatte ich gerade mein Projekt wieder aufgenommen, sämtliche Impro-Gruppen Berlins anzuschauen. Ich hatte das Gefühl, ich entwickle zunehmend einen Blick und ein Gespür dafür, wo Szenen funktionieren und woran sie scheitern.

Außerdem hatte ich einige Zeit davor zum ersten Mal richtig Johnstone gelesen: zum einen verstand ich jetzt endlich viele Dinge, von denen meine Trainer jahrelang geredet hatten, denn mir wurde klar, warum Johnstone darauf gekommen ist und was er genau damit meinte. Und zum anderen stellte ich fest, dass mir Johnstone aus der Seele spricht: viele Sachen, die ich beim Impro unbefriedigend fand, kritisiert Johnstone vehement. Und man sieht es doch immer wieder. Ich hatte einfach Lust, mich dazu zu äußern. Wobei ich kein Johnstone-Jünger bin. Johnstone ist sehr streng und schreibt äußerst bissig. Ich gebe zu, dass mir das einerseits sehr gefällt. Andererseits denke ich schon, dass die Welt doch etwas größer ist und Raum für viele Varianten des Impro-Theaters bietet.

Impro-News: Waren sie von den Reaktionen überrascht oder hatten sie deswegen unter Synonym geschrieben?

SH: Ich war von der deutlichen Gekränktheit mancher Reaktionen überrascht. Wahrscheinlich war ich etwas naiv. Andererseits hatte ich Gekränktheit auch befürchtet und wollte deshalb erst mal unter Synonym schreiben, weil ich wußte, daß ich mich zu manchen Aufführungen sicher auch sehr kritisch äußern würde. So groß ist die Impro-Szene nun doch nicht und ich möchte eigentlich nicht angefeindet werden. Jetzt sieht es für mich allerdings so aus, dass vor allem das Schreiben unter Pseudonym das größte Unverständnis ausgelöst hat.

Impro-News: Uns liegt noch ein Artikel von Ihnen über die Changeroos vor, den wir noch nicht veröffentlicht haben, da wir, wie versprochen, keinen mehr unter Pseudonym schreiben lassen wollen. Man kann aus dem Artikel erkennen, dass es vielleicht nicht der beste Abend der Changeroos war. Machen sie einen Unterschied bei den Gruppen, auf welchem Level der Professionalität sie spielen?

SH: Die Erwartungshaltung ist bei einer professionellen Gruppe schon etwas anders. Den Mordart-Artikel hätte ich sicher weicher formuliert, wenn Paternoster nicht eine seit Jahren spielende Truppe professioneller Bühnenkünstler gewesen wäre, sondern eine Amateurgruppe, die sich mit einem neuen Format auf die Bühne wagt. Dass ich diese konkrete Aufführung unbefriedigend fand, hätte ich allerdings auch deutlich gemacht.

Impro-News: Glauben Sie, dass die momentane Diskussion etwas für das Improtheater bringt?

SH: Ich hoffe es. Wenn die Diskussion konstruktiv verläuft, kann das Improtheater eigentlich nur profitieren. Die Themen Kritik, Qualität, Subjektivität/Objektivität, Beurteilungskriterien sind ja sehr zentral. Ich glaube, dass viele schon darüber nachdenken und auch in ihren Gruppen diskutieren. So ein Forum kann einen weiteren Beitrag dazu leisten. Meiner Überzeugung nach muss sich jeder mit solchen Themen auseinandersetzen, der sich beim Impro weiterentwickeln möchte. Das Impro-Theater als Ganzes muss sich auch solchen Fragen stellen, wenn es ernster genommen werden will. Und ich glaube, dass noch sehr viel Potential in dieser Theaterform liegt.

Impro-News: Sind sie mit der Qualität des in Berlin gebotenen Improtheaters zufrieden?

SH: Ich habe schon viele unterhaltsame und anregende Stunden im Improtheater verbracht und man sieht immer wieder hervorragende Spieler. Leider ist die Chance, eine mittelmäßige oder sogar schlechte Aufführung zu erwischen, für meinen Geschmack zu hoch. Und obwohl es schon einige unterschiedliche Konzepte gibt, ist die mögliche Bandbreite sicher noch lange nicht ausgeschöpft. Berlin ist ja immerhin ein Mekka der Kultur.

Impro-News: Werden sie weiter für Impro-News.de schreiben? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?

SH: Ich möchte sehr gerne weitermachen. Ich werde allerdings nur schreiben, solange es mir Spaß macht und solange ich das Gefühl habe, dass meine Texte auch akzeptiert werden. Dass sich mal eine Gruppe nicht adäquat dargestellt sieht, wird vielleicht passieren, dafür gibt es ja auch die Kommentarfunktion, um jederzeit etwas geraderücken zu können. Wenn mir allerdings deutliches Unverständnis entgegenschlägt und Anfeindungen sich häufen, werde ich sicher nicht auf Biegen und Brechen Kritiken schreiben. Ich muss zwar nicht von jedem geliebt werden, aber gehasst zu werden ist sicher nicht mein Ziel. Kritik kann meiner Meinung nach sehr wertvoll sein, wenn man sich nicht verletzt fühlt. Selbst wenn man die Kritik letztlich zurückweist, hat man sich auseinandergesetzt und sich damit seiner Position versichert. Aber Kritik hat auch schnell Nebenwirkungen. Gerade beim Impro kann sie dazu führen, dass man sich blockiert fühlt, und dann spielt man schlechter als zuvor. Ohne Feedback, das neben Stärken auch Schwächen benennt, wird es allerdings nicht gehen, wenn man ein hohes Niveau anstrebt.

Impro-News: Wir würden uns freuen, wenn Sie weiter schreiben und danken für das offene und interessante Interview.

Thomas Jäkel
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