Improvisiertes Theater kritisieren – eine Diskussion

In eigener Sache:

Im Rahmen der kürzlich auf Impro-News.de erschienenen Rezensionen hat es einige grundsätzliche Kritik an der Art und Weise dieser Veröffentlichungen seitens der Impro-Szene gegeben. Wir nehmen diese Kritik sehr ernst und müssen im Nachhinein einräumen: So hätten wir einige Rezensionen – insbesondere die zum Artikel über Mordart von Paternoster – nicht in dieser Form veröffentlichen sollen.

Unser Anliegen ist es, die lokale Impro-Szene mit unseren Beiträgen zu fördern, und zwar ohne Ausgrenzung von Gruppen oder Verfolgung irgendwie gearteter Eigeninteressen und persönlicher Präferenzen. Dabei halten wir grundsätzlich auch konstruktive Kritik für förderlich. Das ist aber sicherlich immer eine gewisse Gratwanderung. Insbesondere müssen wir dabei im Auge behalten, dass wir öffentlich (und damit nicht nur für die eingeschworene Impro-Szene) über eine Szene berichten, über die die potentiellen Leser möglicherweise wenig bis keine Hintergrundkenntnisse besitzen. Und da Rezensionen über Impro-Theater auch nicht gerade Massenware in den einschlägigen Medien sind, kommt uns hier eine gewisse Verantwortung zu, das teilweise noch zarte Pflänzchen Impro-Theater nicht unnötig zu beschädigen.

Um hier für uns selber und unsere freien Mitschreiber eine Orientierungsgrundlage zu schaffen, die uns vor Irrwegen bewahrt, wollen wir uns  für weitere Veröffentlichungen Grundsätze aufstellen. Über diese würden wir zuvor aber gern diskutieren und Eure Meinung erfahren. Hier sind unsere grundsätzlichen Vorschläge:

  • Im Vordergrund einer Kritik steht die sachliche Information über einen Auftritt.
  • Grundsätzlich erfolgt die Berichterstattung aus einer positiven Grundhaltung heraus.
  • Fundamentale (im Sinne von: “kann nicht funktionieren”, “ist unfähig”) Kritik am gesamten Format oder einzelnen Darstellern wird nicht veröffentlicht.
  • Persönliche Wertungen (z.B. … hat mir nicht gefallen) werden klar als solche gekennzeichnet und nicht verallgemeinert.
  • Die Veröffentlichung erfolgt immer unter dem Namen des Autors; Pseudonyme werden nicht (mehr) zulassen.

Wir freuen uns auf kreative und konstruktive Vorschläge und bedanken uns schon einmal für die konstruktive Kritik aus der Szene!

Thomas & Marco

Thomas Jäkel
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8 thoughts on “Improvisiertes Theater kritisieren – eine Diskussion”

  1. Ich finde Rezensionen für Impro-Theater sehr wichtig. Und es wäre schön, wenn hier ein Forum dafür geschaffen würde. Es muss Positives wie Negatives vermerkt werden können. Ob eine wie im mündlichen Feedback notwendige Markierung der persönlichen Meinung notwendig ist, finde ich aus stilistischen Gründen fraglich.
    Thomas & Marco, ihr solltet schon größtmögliche Freiheit gewähren. Für die Rezension muss der Schreiber schon geradestehen, was er ja auch tut, wenn der Klarname Pflicht ist.
    Ich denke außerdem, dass man auch Kritik an Formaten zulassen sollte (auch wenn ich mit Zwackelmann inhaltlich, wie schon gesagt, nicht übereinstimme).

  2. Dan, so sehr ich dir grundsätzlich zustimme, müssen wir (die Impro-News.de Redaktion im Speziellen, aber auch die gesamte Berliner Impro-Szene, deren Sprachrohr wir ja sein wollen) auch bedenken, dass Impro-News.de nicht nur von Insidern gelesen wird (jedenfalls hoffen wir das…). Insofern sollten die Beiträge hier auch eine Marketingfunktion übernehmen und den Lesern Lust machen, erstmalig oder mal wieder eine Impro-Show zu besuchen. Für den Gelegenheitsleser ist nicht klar, ob eine Fundamentalkritik (z.B. “das Format XXX kann so nicht funktionieren…”) jetzt eine wie auch immer qualifizierte Einzelmeinung darstellt oder die Meinung der “Szene” wiedergibt. Zumal wir ja nicht in der komfortablen Position sind, dass man nur die Zeitung aufschlagen muss und dutzende Jubelartikel über Improtheater allgemein und besondere Formate im Speziellen findet und sich so Leser ein ausgewogenes Bild machen können. Für viele Gruppen sind die Rezensionen, die wir veröffentlichen, möglicherweise die einzigen, die es im Netz zu finden gibt.

    Die Kommentarfunktion, mit der man Stellung nehmen kann, hilft hier sicherlich, aber ein Artikel ist erst einmal ein Artikel.

  3. Ich finde eure Grundsätze grundsätzlich gut. Ich stimme Dan Richter jedoch zu, dass es auch konstruktiv möglich sein muss, über Auftritte zu schreiben bzw. sich über ein Format kritisch zu äußern. Solche Kritiken sind doch auch ein super Anreiz und vor allem unbezahlbares Feedback für Spielende sich mal objektiv mit sich selber auseinanderzusetzen und die Möglichkeit zu gewinnen sich weiter zu verbessern. Es nützt ja nix, wenn jeder immer nur hört: Boah, war super toll, echt, doch dann kommen die Leute vielleicht doch nicht wieder, weil eben nicht alles ganz stimmig war und niemand weiß, warum eigentlich. Und vielleicht hilft mein persönlicher Tipp: Gute Kritik anhören, analysieren, sich selbst befragen, ob es irgendwo vielleicht doch ehrlich zwickt, dann Verbesserungen vornehmen oder wenn es nicht passt einfach als eine Meinung wegstecken.
    Ich glaube weder der Paternoster wird von einer Meinung in der breiten Öffentlichkeit schlecht gemacht, noch sollte eine fruchtbare Diskussion unnötig unfruchtbar gemacht werden.
    Seid lieb gegrüßt und habt einen schönen Start in die Woche.

  4. Hallo an alle,

    ich verstehe, dass vielen der Name des Kritikers wichtig ist. Falls ich weiterschreibe, werde ich es deshalb unter meinem richtigen Namen tun und einige Infos über mich und meine Kriterien veröffentlichen – so hat jeder die Möglichkeit, meine Kritiken besser einzuschätzen. Außerdem wäre ich bereit, über meine Auftrittstermine zu informieren, so dass ich auch kritisiert werden kann – gleiches Recht für alle.

    Im Gegenzug möchte ich nicht zu jeder Wertung schreiben müssen “Ich finde, dass…” Das verhindert einen flüssigen und dichten Text und wirkt auf Dauer wohl eher ermüdend. Alle Wertungen sind Meinungen des Kritikers, das ist selbstverständlich und gar nicht anders möglich, denn ein “funktioniert nicht” ist in der Kunst selten objektivierbar, anders als z.B. bei einer Maschine. Deshalb ist eine Konzentration auf die sachlichen Informationen für mich auch nur bei besonderen Formaten interessant. Ohne persönliche Eindrücke zu schreiben ergibt für mich einen Polizeibericht, den ich persönlich nicht lesen oder schreiben möchte.

    Zu Marcos Kommentar: Wenn jeder Artikel hier auch als Außenwerbung funktionieren soll, überfrachtet man ihn meiner Meinung mit Ansprüchen. Werbung stellt das Positive heraus und negiert die Schwächen. Eine Kritik bemüht sich um ein ausgewogenes Bild, hier dürfen und sollen Schwächen thematisiert werden. Werbung und Kritik schließen sich also per Definition aus (außer bei sehr positiven Kritiken). Wer alles will, kriegt am Ende gar nichts – das ist meine Befürchtung. Wer es allen Recht machen will, kann kaum mehr etwas machen. Eine eigene Kategorie für Impro-Besucher fände ich passender.

    Vorsichtig wäre ich auch mit der Annahme, dass eine schlechte Kritik einer Gruppe automatisch schadet. Als Unbeteiligter wäre ich nach der Kontroverse um “MordArt” erst Recht neugierig auf dieses Format geworden. Dass kontroverse öffentliche Auseinandersetzungen das Theater erst Recht füllen – dafür gibt es immer wieder Beispiele.

    Als Mahnung an die Verantwortung des Kritikers finde ich die Leitlinien gut, als “Gesetzestext” finde ich sie zu einschränkend. Wenn ich unter meinem echten Namen schreibe, übernehme ich die Verantwortung und möchte im Gegenzug Gestaltungsfreiheit.

    Ich bin Thomas & Marco aber dankbar für die Problematisierung dieses heiklen Themas und finde manche Formulierungen inzwischen auch überdenkenswert. Ich möchte einen Stil finden, der akzeptiert wird, Feindschaft liegt mir schon aus persönlichen Gründen sehr fern.

    Sehr schön finde ich übrigens den Kommentar von Sonja, diesen Umgang mit Kritik finde ich sehr gut und versuche das auch für mich umzusetzen.

    Herzliche Grüße an alle Impro-Begeisterten

    (noch) Zwackelmann

  5. Hab noch mal nachgedacht:
    Wir stehen vor dem Problem, dass es nur wenige Impro-Zuschauer gibt, die sich einerseits so qualifiziert zu Improtheater äußern können, dass es für eine Rezension genügt, aber andererseits nicht selber Improspieler sind.
    Von welchem Schauspieler des konventionellen Theaters würde man aber Rezensionen erwarten? An jeder Kritik würde ja der Verdacht kleben, sie sei aus Konkurrenzneid geäußert worden.
    Nach allem Abwägen halte ich Rezensionen unter Pseudonym für nicht verkehrt, solange es keine Nicht-Impro-Spieler gibt, die das leisten können.

  6. Ich finde es interessant, dass ich gerade wenn jemand selbst auch in einer Gruppe spielt, gern wüsste, wer es denn ist. Die einzige “Gefahr” wäre, dass er/sie dann auf der Bühne an den eigenen Kritiken gemessen wird. Erst dann wird auch füpr mich ein Austausch möglich. Was ist eine Anspruch, was denke ich über Impro, werde ich meinem Anspruch immer gerecht? Mir (Dörthe) gelingt das nicht immer, das ist eben Impro. Und da interessiert es mich anzusetzen. Allerdings fällt es mir schwer die Hosen auch mal runterzulassen, wenn der Andere angezogen bleibt. – Über diesen Vergleich können wir gern streiten:-) –
    Auf der anderen Seite finde ich auch die Spekulationen spannend, die gerade laufen. Klingt der Text nicht irgendwie nach Jurist? Könnte das xy sein? Oder doch eine Frau?
    Ich mag ja Rätsel. Vielleicht auch daher die Liebe zu MordArt. Die Frage, ob ein Krimi überhaupt improvisiert werden KANN, die in der Kritik über MordArt aufkam, war übrigens 2000 auf der Deutschen Meisterschaft im Improtheater der Anlass für längere Diskussionen unter Spielern unterschiedlicher Gruppen. Wir haben damals mit den Hottenlotten (Bochum) beschlossen, es einfach zu tun und haben MordArt entwicklelt. Und seit 8 1/2 Jahren und mittlerweile in 5 Städten Deutschlands wird MordArt gespielt. Es scheint zu funktionieren. Der Rahmen, innerhalb dessen bei MordArt gespielt wird, ist ein ganz anderer als beim Harold oder No Agenda. Um das Genre “Krimi” zu bedienen, gibt es einfach Punkte, die man beachten muss. Im Vergleich zu beispielsweise beim Krippenbeißer oder bei bestimmten Musicalformaten sind aber die Inhalte und der Verlauf der Geschichte sehr frei. MordArt ist ein Gerüst, dass immer wieder neu, ganz anders, gefüllt wird. Und ebenso unterschiedlich werden eben auch die Abende. Das ist wie beim Tatort (wobei ich uns nicht mit Tatort vergleichen möchte): Hamburg, Bodensee, Münster, das sind himmelweite Unterschiede in Handlung, Charakteren und Dynamik!
    Das MordArt-Format verändert sich auch mit den Jahren: Die Faktenklügelei tritt in den Hintergrund, andere Aspekte (Beziehungen, Charaktere, Unterhaltung…) werden stärker. Die Hamburger beispielsweise haben in ihrer MordArt-Adaption (Morden im Norden) Entertainment-Fixpunkte eingebaut. Ich finde das spannend, weil mich eben auch die Möglichkeiten und Grenzen des Formates interessieren.
    Auch der Umgang mit der Paradoxie, im Nachhinein das Improvisierte zu rechtfertigen – einen Sinn zu finden.
    Aber das ist eben Geschmacksache.

  7. Erst einmal Danke für die Diskussion. Ich finde es schade, dass Dan es geschafft hat, wirklich den einzigen Punkt, über den wir uns einig zu sein schienen, in Frage zu stellen. Aber gut, es ist ja eine offene Diskussion.

    Was das Kritikenschreiben betrifft, so hatte ich mir schon vor längerer Zeit zum Thema meine Gedanken gemacht und recht spannende Kommentare bekommen (auch zur rechtlichen Situation).

    Wie Marco richtig ins Feld führt, wollen wir ja mit dieser Seite das improvisierte Theater bekannter machen und nach vorn bringen. Daher wäre es ungünstig, wenn wir hier nur unglaublich penetrante Kritien veröffentlichen würden. Auf der anderen Hand gefällt mir aber der Gedanke, dass alle Gruppen in Berlin wissen, dass da ein Zwackelmann zwischen den Zuschauern sitzen könnte, der ein Auge wirft. Denn ich fände es neben der Bekanntheit von Improtheater auch toll, wenn die Qualität steigen würde. Vielleicht ist es falsch an dieser Stelle eine Qualitätsdiskussion heraufzubeschwören, doch es werfe der den ersten Stein, wer noch nie schlecht vorbereitet auf einer Arschbacke die sichern Standarts abgerissen hat, nur um einen Auftritt zu überstehen. Wir werden bei Improauftritten immer ein gemischtes Publikum haben. Menschen die noch nie im Theater waren und welche die, vielleicht weil sie unsere Fans sind, schon mehr vergleichen können. Wir müssen beide Gruppen unterhalten und wenn wir es für die Zweitere sind, unterhalten wir erstere auf alle Fälle mit. Wir sollten aber immer hervorheben, dass Improtheater die Gefahr des Scheiterns ins sich trägt und dass es dazu gehört – dass muss auch jede Kritik immer brücksichtigen.

    Was MordArt betrifft, so kann ich Dörte nur zustimmen, dass sie mit diesem Format einen gefährlichen und sehr spannenden Weg einschlagen. Hier gibt es einfach auch den Geschmack, denn nicht jedes Format gefällt jedem. (Übrigens gab es auf theaterblogs.de von Robert Christott eine Kritik zum Kölner MordArt.)

    Und nun noch die Grundsätze. Ich lese aus den Kommantaren folgende Umformulierungsvorschläge heraus:

    * Im Vordergrund einer Kritik steht die sachliche Information über einen Auftritt und die Besonderheiten von improvisiertem Theater.
    * Grundsätzlich erfolgt die Berichterstattung aus einer positiven Grundhaltung heraus.
    * Fundamentale (im Sinne von: “kann nicht funktionieren”, “ist unfähig”) Kritik am gesamten Format oder einzelnen Darstellern wird nicht veröffentlicht wird ausschließlich gutbegründet als Meinung des Autors veröffentlicht.
    * Negative persönliche Wertungen (z.B. … hat mir nicht gefallen) werden lieber einmal mehr klar als solche gekennzeichnet und nicht verallgemeinert (wohl wissend, dass jede Kritik subjektiv ist).
    * Die Veröffentlichung erfolgt immer unter dem Namen des Autors; Pseudonyme werden nicht (mehr) zulassen.

  8. Hallo zusammen,

    auch ich finde, dass Rezensionen, Kritiken oder Feedbacks zu Improtheater-Shows eine sehr gute und wichtige Sache sind. Davon können die Gruppen nur profitieren und dadurch letztendlich auch die Zuschauer.

    Das Schöne am Improtheater ist, dass die Szene so lebendig ist und es sehr viele aktive Gruppen mit großer Spielfreude gibt.

    Was man bei Rezensionen berücksichtigen könnte, ist, dass es bei all diesen Gruppen eine große Bandbreite in punkto Zielsetzung und Spielerfahrung gibt, von Amateuren bis hin zu Vollprofis.

    Beispiel: Wenn ich eine Rezension zum Auftritt einer reinen Amateurgruppe schreiben würde, die 4x pro Jahr auftritt und den Hut herum gehen lässt oder 5 EUR Eintritt verlangt, hätte ich als Rezensentin und Zuschauerin wahrscheinlich eine andere Einstellung und Erwartungshaltung als beim Auftritt einer Profigruppe, die seit vielen Jahren mehrmals im Monat auf der Bühne steht und ihr Geld mit Impro-Shows verdient bei Ticketpreisen von 15 EUR oder mehr.

    Ich finde, dass jede Gruppe, die öffentlich auftritt, für Kritik bzw. Feedback offen sein sollte. Die Zuschauer wollen schließlich das Gefühl haben, dass sich der Besuch der Show gelohnt hat. Sie wollen unterhalten werden und erwarten ein gewisses Qualitätsniveau.

    Ob positives oder negatives Feedback: Wichtig finde ich vor allem, dass es respektvoll geäußert wird.

    Als aktive Improspielerin und auch als Zuschauerin freue ich mich schon sehr darauf, hier weitere Rezensionen zu lesen, denn auch wenn ich nicht beim besprochenen Auftritt dabei war, kann ich allein durch die Lektüre sehr viele interessante Sachen lernen.

    Von mir aus können die Zwackelmänner dieser Welt gern auch mal nach Köln kommen! 🙂

    Schöne Grüße

    Heike

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