Bühnenreif: Improjektion von ZWIEBELFISCH

Gestern (09.01.2010) spielten ZWIEBELFISCH ihr noch recht junges Format Improjektion im Studio 70 in Neukölln. Neben der Tatsache, dass ZWIEBELFISCH wie gewohnt einen ganzen Impro-Abend mit nur 2 Bühnen-Spielern (Thomas Jäkel und Lars Labryga) bestreitet, gibt es bei dieser Show noch viele weitere Ansätze, die das Programm deutlich vom Mainstream der Berliner Improszene abheben.

Denn neben den beiden Spielern auf der Bühne spielt ein weiterer mit Zeichenbrett und Laptop eine wesentliche Rolle. Was auf der Bühne gespielt wird bzw. was die Zuschauer als Vorgaben zu einzelnen Figuren und Situationen machen, wird in Echtzeit mit ein paar schnellen Strichen auf den Computer gebracht und von dort aus per Rückprojektion auf eine Leinwand im Bühnenhintergrund projeziert (womit schon mal der Name des Formates erklärt wäre). Das funktioniert so gut, dass der Zuschauer teilweise vom eigentlichen Spielgeschehen abgelenkt, fasziniert auf die sich bildlich entwickelnde Szene starrt und gespannt ist, wie der Zeichner die neueste Wendung der Story durch Ergänzung des Bildes oder teilweise auch durch Übermalen grafisch mitvollzieht. Was Zeichner Matthias Pflügner in Windeseile aufs Tablett bringt ist einfach Spitzenklasse und  allein schon einen Besuch der Vorstellung wert.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist, dass die Show als abendfüllendes Langform-Format angelegt ist. Insgesamt drei unterschiedliche Geschichten zu einem gemeinsamen, vom Publikum vorgegebenen Überthema (gestern witterungsbedingt “Glatteis”) werden abwechselnd über den Abend hinweg aufgebaut und bis zum glücklichen oder tragischen Ende weiterentwickelt. Improtechnisch gesehen ist das dann ein reinrassiges Harold-Format, eben mit der Erweiterung um die grafische Komponente. Durch die langformtypische intensivere Beschäftigung mit den einzelnen Stories – gestern sahen wir übrigens ein verkappte Liebesgeschichte eines verarmten Künstlers mit der Frau seines Vermieters, einen altgriechischen Aristokraten, der bei Glatteis ein Wagenrennen mit Hundegespann überleben musste sowie den Auszug eines jungen Paares in Richtung neuer Welt –  bleibt den Spielern viel Raum, ihre Geschichten, die Personen und deren Beweggründe zu erspielen. Schön dabei: das Publikum hatte in jeder Geschichte die Möglichkeit, nach der ersten Spielrunde den jeweiligen Hauptcharakter in Form von Vorgaben mit Eigenschaften und Vorerlebnissen auszustatten, die dann gleich zeichnerisch im Hintergrund verewigt wurden.

Musikalisch untermalt wurde der Abend übrigens mit einem Saxophon und einer Geige (wechselseitig gespielt von Simon Schönfeld)  – sicherlich auch eine eher ungewöhnliche Instrumentierung für eine Impro-Show!

Dass dann am Ende nicht in jeder Story alle Publikums-Vorgaben sinnstiftend mit untergebracht wurden (vom Zeichner süffisant mit dem Kommentar “KONSTRUIERT” untermalt), störte dabei wenig – es ist ja schließlich Impro und nicht immer gelingt alles.

Meine Empfehlung: Unbedingt anschauen, allein schon wegen der vielen innovativen Ansätze, die diese Show in die Impro-Szene trägt!

Improjektion ist noch am 10.01.2010 um 19.00h im Studio 70 zu sehen. Als weiteren Termin später im Jahr gibt es dann am Mi, 12.05.2010 noch einen besonderen Impro-Leckerbissen: Improjektion-Mixed gemeinsam mit den Crumbs aus Kanada!

(Alle Bilder von der Vorstellung zur Impronale 2009, Fotos von Markus Scholz (marsfoto [ät] gmx.de), alle Rechte vorbehalten.)

Marco Brüders

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