Impro 2019 – Der Wasserfall als dramaturgisches Bild

von Sören Boller:

BERLIN – Am Abend des 19.03.19 luden Die Gorillas im Rahmen der IMPRO2019 in das Mehringhoftheater zur Festivalshow „Am Wasser“ ein. Der Ankündigung zufolge sollte das Wasser als verbindendes Element, welches sich durch Europa zieht und dabei keine Grenzen kennt, den Rahmen bilden. Der Ankündigungstext las sich dabei mehr wie ein Meta-Konstrukt für den Anlass einer Improshow und weniger wie ein erwartungserzeugendes Konzept. Dieser Eindruck wurde im Laufe des Abends durchaus bestätigt, allerdings nicht im negativen Sinne.

Der deutschsprachige Cast bestand aus den beiden Festivalgästen Olga Seehafer (Bamberg) und Tim-Uwe Georgi (Zürich), sowie den gastgebenden Gorillas Barbara Klehr und Michael Wolf, musikalisch begleitet vom ebenfalls bei den Gorillas beheimateten Felix Raffel.

Dahingeplätscher

Die vier Spielenden sollten in der ersten Hälfte jeweils eine persönliche Geschichte aus ihrem Leben teilen, die sie in irgendeiner Weise mit Wasser verbinden. Jeweils im Anschluss wurde dazu eine Szene improvisiert. Nach den ersten beiden Geschichten von Barbara Klehr und Olga Seehafer, wurden diese jeweils einfach kurz nachgespielt, wobei sich die in mir bereits vorher manifestierte Angst vor genau diesem bewahrheitete. Zusätzlich wirkte auch die Improvisation eher holprig und ließ Zweifel an dem Sinn des Ganzen in mir aufkommen, während ich zeitgleich ein geflüstertes „Was hat das denn mit Improvisationstheater zu tun“? aus dem Publikum um mich herum wahrnahm.

Zunehmende Strömungen

Anscheinend entsprach diese Wahrnehmung auch jener der Spielenden selbst, denn die beiden Szenen wurden nach auffallend kurzer Zeit ohne nennenswerte Handlung oder Inspiration beendet. Dann ging Michael Wolf nach seiner erzählten Geschichte darin über, die Regie in der folgenden Szene zu übernehmen und dabei nicht das Erzählte nachzuspielen, sondern eine Szene zu fordern, in der die Vorgeschichte improvisiert wird. Sofort entwickelte die Szene eine eigene Dynamik und mithilfe der Regie wurden schnell die entsprechenden „Games“ gefunden. Das höhere Energieniveau wurde auch in der vierten Szene gehalten bevor es in die Pause ging.

Mitreißende Schnelle

In der zweiten Hälfte haben die Spielenden zuerst eigene, persönliche Brief vorgetragen, die eine Rolle in ihrem Leben spielten. Diese Darbietung steigerte sich zu einer simultan gelesenen, akustischen Installation, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Die Auswahl der Briefe war stark, ob ihres Offenbarungsgehaltes und ihrer Authentizität. Nahtlos gingen die Inhalte der vier Briefe anschließend in ein stark haroldistisches Format über, in denen Aspekte, Fortführungen, Inspirationen und Verflechtungen der Hintergründe und Geschichten gespielt wurden. Die fließend ineinander übergehenden Szenen wurden dabei immer wieder durch Songs, Geräusche und andere Intermezzi durchzogen.

Die kurze Ästhetik des Falles

Und auf einmal hatte alles einen Sinn: Durch Wiederholung, Verfremdung, Veränderung und Entwicklung flossen die vier Geschichten in Momenten ineinander über, die ihre Stärke aus sich gegenseitig bezogen. Es war berührend, witzig und authentisch zugleich und ein sehr versöhnliches Ende eines schwach begonnen Abends. Hinter mir murmelte es erneut: „Also für mich ist das kein Improtheater, ich hab mal Theatersport gesehen und das war ganz anders!“ Schade eigentlich.

Die Redaktion