Naked Stage Festival – Sincerely Yours

LJUBLJANA – Unser Redakteur Thomas Jäkel schreibt über das 14. internationalen Festival “Naked Stage” (Goli Oder), dass am Samstag den 24. November 2018 von der slowenischen Hauptstadt aus einen Abstecher in die Nachbarstadt Krajn einlegte. Dort zeigten Hannu Risku, Lee White und Maja Dekleva Lapajne ihr Format “Sincerely Yours“.

Umarmung, Eifersucht, Sprachlosigkeit

Am Eingang bereits wurden die ZuschauerInnen aufgefordert, auf ein Flipchart zu schreiben. Die Aufgabe war etwas Positives oder Negatives über eine Liebesbeziehung aufzuschreiben bzw. aufzuzeichnen, was man selbst erlebt hatte. („Write or draw something positive or negative about a love relationship that you experienced.“) Das vollgefüllte Flipchart wurde danach auf der Bühne von den Dreien vorgelesen. Mitunter gestaltete sich diese Aufgabe als eine echte Herausforderung. Zumal auch Hannu Risku keine Brille auf der Bühne trug.

v.l. Lee White, Maja Dekleva, Hannu Risku entziffern das Flipchart, Foto: T. Jäkel

Schwitzende Hände, Bedürfnis nach einer Umarmung, Eifersucht, ratlose Sprachlosigkeit – die aufgeschriebenen Erlebnisse waren mannigfaltig. Es dauerte fast 15 Minuten, bis alles entziffert, verlesen und das Flipchart am Rand vor der Bühne verstaut war. Dann ging es los.

Ungewöhnliche Herausforderungen

Lee White und Maja Dekleva bewegten sich frei und assoziativ über die Spielfläche. Hier ging es erst einmal nur abstrakt um Bewegung, Muster, Folgen und Führen. Wer die beiden kennt, weiß, dass Lee White nicht unbedingt für sein körperbetontes Spiel berühmt ist. Aber dieser Abend brachte noch mehr ungewöhnliche Herausforderungen mit sich.

Dann änderte sich das Spiel und die beiden begannen mal mehr, mal weniger abstrakte Szenen zu improvisieren. In diesen wurden die aufgeschriebenen Gründe verarbeitet. So entstanden hin- und auch herzzerreißende Miniaturen vom Beginn oder Ende von Beziehungen. Da Hannu Riskus Aufgabe bei weitem nicht nur in der Szenenuntermalung bestand, setzte er ebenso zu Songs an oder trat auf die Spielfläche, damit sie gemeinsam ein Instrumentalstück (Risku: Mandoline, White: Stuhltrommel, Dekleva: Melodika) improvisieren konnten. Diese Durchlässigkeit der Rollen war sehr erfrischend.

Wir werden miteinander ringen!

Am außergewöhnlichsten sicherlich war die Verabredung zwischen Maja und Lee miteinander zu ringen. Dreimal an diesem Abend versuchten sich die Beiden gegenseitig auf den Bühnenboden zu werfen. Wer den anderen bezwang, konnte entscheiden, wie es formal weiter ging. Zweimal triumphierte Maja über ihren Spielpartner, aber das Kräfteverhältnis schien sehr ausgeglichen. Es war ein Spaß den beiden beim Ringen zu zusehen. Hier kämpften Freunde im spielerischen Wettstreit.

Lee White und Maja Dekleva ringen miteinander, Foto: T. Jäkel

Trotz all der guten Unterhaltung, vermisste ich mehr Tiefe in den gespielten Figuren. Da alle Vorgaben sich um das Verbindende oder Trennende einer Beziehung drehten, handelten auch die Szenen davon. Ich hätte einfach gerne weniger Figuren gesehen, dafür mehr über  diese Personen erfahren, die ich dort in Beziehung gesetzt sah. Warum sind sie so? Warum sind das die Gründe, für ihre Entscheidungen? Und da ich weiß, dass beide Experten im Erzählen der menschlichsten Geschichten sind, vermisste ich es noch ein wenig mehr.

Ein Genuss

Dieses Format hat meiner Meinung nach großes Potenzial. Und alleine Maja und Lee im Spiel miteinander zu erleben, wie sie sich herausfordern, necken, aber immer unterstützen, allein das ist Genuss. Man darf also gespannt sein, was sie heraufholen, wenn diese drei noch weiter in die Tiefen menschlicher Beziehungen abtauchen.

Thomas Jäkel
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