Naked Stage Festival – Childhood in Flashbacks

LJUBLJANA – Unser Redakteur Thomas Jäkel schreibt in der Slowenische Hauptstadt über das 14. internationalen Festival “Naked Stage” (Goli Oder). Am Donnerstag den 22. November 2018 zeigte das Festival mit “Childhood in Flashbacks” unter der Leitung von Michaela Puchalková aus Prag eine Weiterentwicklung ihres Formats Milestones (Impro-News berichtete).

Michaela Puchalková eröffnet die Show, Foto: T. Jäkel

Woran erinnern wir uns aus Kindertagen? Sicherlich haben die meisten haftende Erinnerungen, auf die sie anekdotisch zugreifen können. Genau solche Erinnerungen waren bei “Childhood in Flashbacks” gefragt. Zu Beginn versicherte Michaela Puchalková dem Publikum, dass man zwar mit Erinnerungen der DarstellerInnen geprobt hatte, dass aber an diesem Abend nur “frische” Erinnerungen genutzt würden. Und sie ermutigte das Publikum, applaudieren zu dürfen – weil es über die kommenden 70 Minuten keine weitere Interaktion mit dem Publikum gab.

Klare Struktur: Erinnerung, gespielte Szene, Szene mit vier Stühlen

Dann trat die erste Spielerin (Vanda Gabrielova) auf die Bühne und spielte als Solo ihre Kindheitserinnerung. Sie lag in ihrem Bett und schlich sich, weil sie nicht schlafen konnte hinaus aus dem Zimmer, klopfte an eine andere Tür und wurde zurück ins Bett geschickt oder ging von selbst. Darin bin ich mir nicht sicher, weil alle Kindheitserinnerungen in der Muttersprache der ImprovisiererInnen gespielt wurden und ich leider kein Tschechisch verstehe.

Die darauf folgende recht freie Szene war eine Art Dramatisierung des Erzählten. Über den Lauf der 6 Erinnerungen des Abends wurden hier mal überhöht, mal feinsinniger das wiedergegeben, was von der Erinnerung verstanden wurde. Auf diese Szenen folgte schließlich immer eine Szene, deren Grundlage vier nebeneinander stehende Stühle waren. Die SpielerInnen entwickelten dort meist unterhaltsam absurde Situationen. Das Gerüst des Abends war also klar vorgegeben: Erinnerung, gespielte Szene, Szene mit Stühlen.

v.l. Tomaž Lapajne Dekleva, Matthieu Loos, Ladislav Karda, Julie Doyelle in der ersten Szene mit den 4 Stühlen, Foto T. Jäkel
v.l. Tomaž Lapajne Dekleva, Matthieu Loos, Ladislav Karda, Julie Doyelle in der ersten Szene mit den 4 Stühlen, Foto T. Jäkel

Die Freiheit in der Struktur

Ich verstehe sehr wohl, dass man einem Format eine klare Struktur geben will, aber was ist die Aufgabe dieser Struktur? Sollte es nicht darum gehen, den ImproviersiererInnen einen Freiraum zu schaffen, in dem sie spielen können? Es braucht Platz zur Entfaltung von Inspirationen. Es ist mir ehrlich gesagt nicht klar, ob die Szene nach dem Solo tatsächlich eine Dramatisierung des Erzählten sein sollte – jedoch kam es mir so vor. Wenn ja, bleibt die Frage warum? Warum etwas nachspielen, dass wir gerade gehört und im Idealfall verstanden haben?

Vielleicht neigten die SpielerInnen dazu, sich auf das offensichtliche zu setzen, da sie die besten Plätze im Haus hatten. Sie saßen in der ersten Reihe und konnten das Spiel der Kollegen aus der Zuschauerperspektive betrachten. Jedoch schienen sie dadurch gelähmt, da sie nicht auf der Bühne präsent waren. Gerne hätte ich die anderen beim Betrachten der Solos gesehen. Und ich hätte auch gerne die Monologe verstanden. Ich sehe tatsächlich keinen Vorteil darin, die Inspiration für eine Szene hinter einer Sprachbarriere zu verstecken.

Musik was my first love!

Was mich aber an diesem Abend am nachhaltigsten irritierte, war der Einsatz der Musik. Goran Završnik arbeitete mit einer großen Vielfalt an Möglichkeiten. Neben Keyboard setzte er Loopstation und auch vorproduzierte Musik- und Geräuschsamples bis hin zu kompletten Songs ein. Das er dabei mitunter zu laut war und die Dialoge überdeckte, war das kleinste Problem. Vielmehr zog die Musik immer wieder von einer Szene in die andere und somit auch deren Emotion. Besonders auffällig war dies in den persönlichen Monologen.

Persönliches auf der Bühne preiszugeben ist immer mit einer gewissen Verletzbarkeit verbunden. Hier sollten also alle KollegInnen im Ensemble Zurückhaltung und Aufmerksamkeit walten lassen. Die Musik verschob aber immer wieder durch ihre starke emotionale Vorgabe die Aussage der Monologe. Die SpielerInnen versuchten mitunter die musikalischen Vorgaben zu ignorieren oder auszusitzen. Und wenn dann die Musik einfach über ein Black und den Applaus in die nächste Szene weiter läuft, führt sie sich und die Ensemblearbeit völlig ab Absurdum. Und das hat auch nichts mit Verfremdung im Sinne epischen Theaters Bertolt Brechts zu tun.

Eines sei noch angemerkt: Auch rhythmische Musik in den Abschlussapplaus zu spielen, empfinde ich als manipulativ. Wenn ich als Künstler wissen will, wie die meisten ZuschauerInnen es fanden, kann ich das am Beifall ermessen.

“Das innere Kind weiß den Weg.” Perter Horton

“Childhood in Flashback” hat mich auf mehreren Ebenen nicht mitgenommen. Aber ich schätze es sehr, dass ein weiterer Versuch unternommen wurde, mit wichtigen Lebensereignissen improvisierender Menschen zu arbeiten. Hier liegt viel Potenzial, denn schließlich sind die Erfahrungen unserer Kindheit das Fundament unseres Erwachsenseins. Und wie viel besser wäre diese Welt, wenn wir alle mehr Zugang zu unserem inneren Kind hätten.

Thomas Jäkel
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