IMPRO 2018 – Our Lives: Milestones und der Wert einer Vorgabe

BERLIN – Die Impro 2018 brachte am 21. März mit Milestones bereits das dritte Our-Lives-Showformat des Europaprojektes auf die Bühne des Ratibor-Theaters. Sieben Improspieler*innen aus sieben Ländern fragten: Was sind die Meilensteine in unserem Leben?

Our Lives: Milestones / Marta Borges beim ersten Kuss / Foto: Matthias Fluhrer
Gregory Melmer und Marta Borges beim ersten Kuss / Foto: Matthias Fluhrer

Intime und wichtige Momente

Der Abend wurde von der Künstlerischen Leitung des Formats, von Michaela Puchalková aus Prag, eröffnet. Sie begrüßte die Spieler*innen auf der Bühne und bat dann das Publikum, sich zu entspannen und an die Wendepunkte, die Meilensteine im eigenen Leben, zurückzudenken. Untermalt von rhythmisch-meditativer Musik des Zyprioten Savvas Thoma, der im Wechsel auf Griechisch sang und sprach, hatten alle im Raum Zeit über ihr Leben nachzudenken. Danach traten die Akteure einzeln nach vorn und holten sich intime und wichtige Momente aus dem Leben des Publikums ein.

v.l. Órla Mc Govern, Marta Borges, Henk van der Steen und Gregory Melmer / Foto: Matthias Fluhrer

Es wurden sehr inspirierende und persönliche Momente als Vorgaben genannt: Die erste Liebe. Die Geburt des ersten Kindes. Zum ersten Mal Angst vor jemanden haben, den man liebt. Die erste eigene Wohnung. Der Tod der Großmutter bei einem Verkehrsunfall. Ins Ausland oder in die erste eigene Wohnung ziehen. Mit Kreide wurden die Vorgaben an die schwarzen Wände des Ratibor-Theaters geschrieben.

Dann entspann sich eine an den Harold angelehnte Struktur aus Groupgame, wahren Monologen bzw. Solos und daraus inspirierten, Collagen-artigen Szenen. Diese Struktur gab den Spieler*innen viel Freiheit, sich auszutoben und verschiedene Aspekte der Vorgaben zu bespielen. Diese Freiheiten nahmen sie sich auch. So wurden die Vorgaben bereits in einem Raumlauf und Assoziationsrunde wiederholt und bis zu einer Entstellung verfremdet, die zu ersten Lachern führte. So standen immer wieder emotionale Monologe neben sehr albernen Szenen, die aber mehr aus der Not, als aus der Inspiration geboren zu sein schienen.

v.l. Kasia Chmara, Órla Mc Govern, Pavel Wieser, Henk van der Steen, Gregory Melmer im Groupgame mit Savvas Thoma / Foto: Matthias Flurer
v.l. Kasia Chmara, Marta Borges (verdeckt), Órla Mc Govern, Pavel Wieser, Henk van der Steen, Gregory Melmer im Groupgame mit Musiker Savvas Thoma / Foto: Matthias Flurer

Der Wert einer Vorgabe

Für mich warf der Abend besonders die Frage auf, wie mit Vorgaben umzugehen sei. Wenn man Toilette oder Sauna zugerufen bekommt, kann man das sicherlich durch den Fleischwolf der Albernheiten drehen. Aber der Tod der eigenen Großmutter ist wahrscheinlich nicht nur für eine Person im Raum eine eindrückliche Erinnerung im Leben. Hier finde ich, sollte mehr Feingefühl angelegt werden. Das dazugehörige Solo von Gregory Melmer aus Luxemburg war emotional berührend. Er war überrascht vom Kartenspiel aufgesprungen und weinte und klagte, als er wohl im Krankenhaus angekommen zu sein schien. Leider ließen sich die Solos schlecht verorten, da sie zum einen in der Muttersprache der Spieler*innen stattfanden und zum anderen meist mehrere Charaktere gespielt wurden, was der Darstellung oft ihre Feinheiten nahm.

Was sich die anderen Kollegen für Inspirationen aus den Solos ziehen konnten, bleibt mir auch schleierhaft, da sie stets in den Seiten der Bühne verschwanden. Ob es viel mehr als die Vorgabe an der Wand war, mag ich zu bezweifeln.

Die Kritik der Kritik

Ja, ich weiß, es ist im Grunde einfach, eine schlechte Kritik zu schreiben, denn zu kritisieren fällt oft leicht. Vielleicht sollte man auch besser schweigen, denn ich denke, viele im Ratibor hatten doch eine gute Zeit. Aber ich hatte sie nicht. Und da ich nicht nur meckern möchte, hier ein paar Ideen und Fragen als Anregung zur Veränderung:

Im Nachgespräch wurde viel über Respekt gegenüber der Solos der anderen gesprochen. Wieviel Respekt verdienen die Vorgaben?

Warum so viele Vorgaben an Wendepunkten? Wären nicht drei mehr als genug?

Es waren sieben Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen auf der Bühne. Mich hätte interessiert, was einzelne Wendepunkte für die Spieler*innen in ihrem Land bedeuten, was die pan-europäischen Verbindungen sind. Wie ist zum Beispiel der Umgang mit dem Verlust der Jungfräulichkeit in Polen oder in den Niederlanden?

Warum gehen die anderen in die Seiten der Bühne ab, wenn jemand sein persönliches Erleben zeigt? Wären die Kollegen nicht eine Hilfe und Stütze, wenn sie auf der Bühne und anspielbar blieben? Und könnten sie nicht auch viel mehr Inspiration aus dem Gezeigten ziehen, wenn sie es besser sehen und erleben, als von der Seitengasse aus?

Und was sollen wir als Zuschauende aus diesem Abend mitnehmen? Was wollt Ihr von uns?

Dieser Abend über die wichtigen Wendepunkte im Leben war ein Experiment, das noch nach seiner vollendeten Form sucht. Bitte experimentiert weiter!

Abschlussbild von Our Lives: Milestones / Foto: Matthias Fluhrer
Thomas Jäkel
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2 thoughts on “IMPRO 2018 – Our Lives: Milestones und der Wert einer Vorgabe”

  1. Lieber Thomas,

    entschuldige Dich nicht, wenn Du kritisierst, das gehört doch dazu, wenn Du uns begleitest. Ich kritisiere also nicht Deine Kritik, sondern Deine Entschuldigung ebenso wie die Überlegung, Kritik zu unterlassen, weil es anderen gefällt. Und kritisieren ist generell nicht leichter als loben, das glaube ich nicht, denn Du machst Dich doch selbst dadurch angreifbarer als mit Lob.
    Ich habe die Show nicht gesehen, aber vieles von dem, was Du schriebst, erscheint nachvollziehbar.
    Schöne Grüße Christoph / Gorillas

  2. Lieber Christoph,
    Danke für Deine Worte. Mir geht es nur darum, mich nicht als das Maß der Dinge aufzuspielen. Was mir nicht gefällt, können andere ja lieben. Es war mir an der Stelle wichtig darauf hinzuweisen.
    Keine Sorge, ich weder auch weiter kritisch Euch begleiten.
    Spontane Grüße Thomas

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