IMPRO 2016: Our Lives nur halb lebendig

Internationales Festival Impro 2016 Berlinvon macro:

BERLIN – Am Freitag den 18.3.2016 gab es wie schon im letzten Jahr “Our Lives”. Dabei waren 10 Spieler*innen aus 10 Ländern im English Theater zu sehen. Jeweils zwei Spieler*innen interviewten sich gegenseitig über ein von Christoph Jungmann reingerufenes Thema, wie etwa Beruf, Familie, Essen, Lernen und letztlich den Tod. Die Themenreihenfolge stand fest, die Auswahl der zu interviewenden Person kam vom Publikum. In den Gesprächen sollte es um die persönlichen Erfahrungen gehen und die nationalen Eigenheiten des bunt gemischten Casts in das Interview einfließen. Danach wechselte der Interviewte in die Rolle des Regisseurs für die davon inspirierte Szene. Im letztjährigen Artikel über “Our Lives” forderte Thomas Jäkel die Weiterführung des Formats mit einem ausgefeilterem Konzept. Die Schwächen des Formats scheinen sich mir eher noch vergrößert zu haben.

Seichte Interviews und Energielöcher

Our Lives - Brad Fortier und Farah Shaer
Our Lives – Brad Fortier und Farah Shaer

Die Unterhaltungen auf dem Sofa waren eher von Seichtheit geprägt, Wahrhaftigkeit und Einblick in die Seele der Spielerin bzw. des Spielers oder Eigenheiten des Landes blieben leider die Ausnahme. Ich würde den Interviewteil schon als Energieloch bezeichnen. Dazu kam die umständliche Abfrage des nächsten Spielers. Christoph Jungmann tauchte beinahe überfallartig aus dem Off auf und griff sich jemand in der ersten Reihe. Diese Zuschauer sollten eine*n im dunklen Seitenoff sitzenden Spieler*in wählen, was die meistens verdutzten Zuschauer überforderte und ohne Mehrwert für die Improvisation war. Hier würde ich mir einen geschmeidigeren Rahmen wünschen.

Die erzählten Geschichten wurden in der ersten Hälfte fast nochmals vom Ensemble nachgespielt – was zum Teil von der regieführenden Person so forciert wurde. Dieses reine Reenactment doppelt für den Zuschauer die Information ohne es interessant zu erweitern. So blieb die Energie in den Szenen niedrig, ebenso die Spannung in der ersten Hälfte.

Our Lives - energetische Maschine
Our Lives – energetische Maschine des gesamten Ensembles

Mehr Spielfreude in Halbzeit zwei

Immerhin die zweite Hälfte, die nach dem exakt gleichen Muster fortgeführt wurde hatte etwas mehr Schwung. Vielleicht gab es eine Kabinen-Halbzeit-Ansprache mit einem hüpfenden Trainer – so stelle ich mir das zumindest vor. Es griff jedenfalls deutlich sichtbare Spielfreude um sich, Brad Fortier (Happy Improv Fun Time, Portland) machte den Anfang, Vasiliki Kissa (Bus Kai, Athen), Ben Hartwig (Springmaus, Köln) und Raouf Khelifa (Impro Beirut) folgten. Endlich wurden die Inspirationen eben auch mal interpretiert und die Szenenlängen und Arten etwas variiert. Selbst die Interviews nahmen etwas Schwung auf, eine gekonnte Moonwalk-Tanzeinlage von Lucien Bourjeily (Impro Beirut) mit Hilfe von DJ Mama Cutsworth (Speechless, Winnipeg) machte richtig Spaß.

Our Lives - DJ Mama Cutsworth mit wunderbarem Score und Tänzer Lucien Bourjeily
Our Lives – DJ Mama Cutsworth mit wunderbarem Score und Tänzer Lucien Bourjeily

Handwerkliche Schwächen

Von der handwerklichen Seite muss das Thema Lautstärke angesprochen werden. Das English Theater ist groß und deshalb stimmlich herausfordernd. Einige Spieler*innen waren schlichtweg kaum zu verstehen und ließen sich auch nicht von deutlich lauteren Spielpartnern volumenmäßig nach oben ziehen. Auch hemmten diverse Blocks die Entwicklung von Erzähltempo. Und zu guter Letzt wirkte für mich die Moderation von Christof Jungmann aus dem Halb-Off in Konkurenz mit der Szenenregie eher unharmonisch und fügte sich nicht in das Stück ein.

Die letzte Szene über den Tod sollte die entscheidende Weggabelung sein und diese surreale Szene funktionierte. Barbara Klehr (Die Gorillas, Berlin) und Vasiliki Kissa fanden ein schönes aus einem Mund sprechen Game und Brad Fortier, der mit seiner süßen Körperlichkeit sehr schön anzusehen war, zeigten die Klasse des Casts. Es gab dafür relativ lautstarken und anhaltenden Beifall. Ich kann mich dem nur teilweise anschließen. Die Spieler*innen waren sehenswert, die musikalische Untermalung großartig, jedoch das Konzept bräuchte für mich drastischere Veränderungen.

macro
Follow