IMPRO 2016: Freedome Game – An Impro Odyssee

von Sören Boller:

Internationales Festival Impro 2016 BerlinBERLIN – Zu „The Freedom Game“ im Rahmen der IMPRO2016 versammelten sich am Mittwochabend den 16.03. ca. 60 Menschen im English Theatre. Angekündigt war ein „Theaterexperiment in zwei Akten“ über Wechselwirkungen des gesellschaftlich Politischen, wie Terrorangst, Vorratsdatenspeicherung oder Fremdenfeindlichkeit, auf die Freiheit und zwar mit den Mitteln des Improvisationstheaters. Ambitionierter kann eine Show schon fast gar nicht mehr angekündigt werden und deswegen war das Publikum auch mehr als gespannt darauf, was am Abend denn nun eigentlich konkret passieren sollte.

Rudy Redl überrascht das Publikum mit Sci-Fi / Foto: Sören Boller
Rudy Redl überrascht das Publikum mit Sci-Fi / Foto: Sören Boller

Begrüßt von Rudy Redl (Die Gorillas) ging es ohne große Umschweife zur Vorstellung des Casts. In einer schönen Inszenierung aus Licht und Soundeffekten stellten sich die einzelnen Spieler_Innen jeweils mit ihrer eigenen Definition von Freiheit vor: Vasiliki Kissa, Menelaos Prokos (beide Bus Kai, Athen), Rama Nicholas (Melbourne), Torgny Aanderaa (Det Andret Teatret, Oslo), Laurel Ryan (unexpected productions, Seattle) sowie Gilly Alfeo (Springmaus, Köln) und Björn Harras (Gorillas, Berlin).

Ein stark inszenierter Beginn, dem es gemeinsam mit dem Ankündigungstext zuzurechnen ist, dass die Erwartungen schnell stiegen. Rudy Redl kündigte ohne weitere Erklärungen an, in der ersten Hälfte eine Science-Fiction-Geschichte zu spielen, die in einer großen Stadt spielt.

Ein unerwarteter Genre-Abend

Dafür wurden verschiedene Vorgaben eingeholt, beginnend bei der Ferne der Zukunftsvision. Für unsere zu etablierende Zukunftsgesellschaft sollten soziale „Go‘s“ und „No-Go‘s“ vom Publikum aufgestellt werden. Also Dinge, die uns in unserer Freiheit einschränken, durch gesellschaftliche Konventionen oder sogar Gesetze. Während es in dieser Zukunft strengstens verboten war, Hunde zu streicheln wurde es sozial honoriert, in der Öffentlichkeit nackt zu singen. Zudem wurde noch der Held der Geschichte ausgewählt und es ging los. Die folgende Geschichte handelte schließlich von einer Gruppe Werhunde, halb Hund, halb Mensch, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen ihren neuen Anführer suchten.

Bjön Harras als Held der Werhunde / Foto: Sören Boller
Bjön Harras als Held der Werhunde / Foto: Sören Boller

Begleitet von wirklich sehr guten Soundeffekten und stimmungsgeladener Musik, sowie passgenauen Lichteffekten nahm die Geschichte ihren dramaturgisch wenig überraschenden Lauf. Es hatte sehr den Anschein, dass der Ablauf angelehnt an einer typischen Sci-Fi-Geschichte klar strukturiert und fast schon gescripted war. Die Vorgabe des Hunde-Streichelns wurde in der Geschichte vom Cast wundervoll verflochten und erklärt. Zuerst passive Hunde wurden später zu handelnden Figuren der Geschichte integriert. Das nackte Singen in der Öffentlichkeit wurde zwar ausgespielt aber in keinerlei sinnhaften Zusammenhang gestellt. Am Ende hatte unser Held alle Aufgaben erledigt, alle Prüfungen bestanden, alle Zweifler überzeugt und wurde anschließend von einem Polizisten kommentarlos erschossen. Black.

Fragezeichen

In der zweiten Hälfte, die mit Verzug begann, war schon eine leichte Stimmung von Unverständnis zu spüren als Rudy Redl ankündigte, in der zweiten Hälfte wieder eine Science-Fiction-Geschichte spielen zu wollen, nur mit anderen Vorzeichen: Die Geschichte soll auf dem Land spielen und der Plot dreht sich um zwei gesellschaftliche Gruppen, die einander bekämpfen, eine davon mit typisch-anarchischen Strukturen. Am Ende durfte nur eine Gruppe in der Geschichte übrig bleiben. Die Spieler sollen dazu „alle Mittel der Improvisation“ verwenden, um die jeweils andere Gruppe zu überzeugen, zu verführen oder zu vernichten. Zusätzlich wurde noch eine mittelgroße gesellschaftliche Katastrophe eingeholt, die die beiden Gruppen gespalten haben soll: Alles Wasser wurde zu Coca-Cola.

Aus den absurd wirkenden Vorgaben konstruierten die Spieler_Innen eine doch sehr ansehnliche und spannende Geschichte eines Coca-Cola-Regimes, welches seine Untertanen durch Zuckerabhängigkeit gefügig machte und versuchte, die kleine Gruppe der Unabhängigen zu bekämpfen. Die Geschichte lebte trotz einiger Anspielungen auf die potenziell politische Dimension dennoch ausschließlich von ihren Beziehungen. An einigen wenigen Stellen war das „Game“ spürbar, indem sich die Spieler_Innen gegenseitig vor inhaltliche Herausforderungen „mit den Mitteln der Improvisation“ stellten: Ansonsten überzeugten die Spieler_Innen allesamt durch wunderschön gezeichnete Charaktere und ein harmonisches Zusammenspiel. In der zweiten Hälfte ging es dann wenigstens auch ab und zu in der Geschichte um die Freiheit der Akteure, einen wirklichen Zusammenhang zwischen dem Ankündigungstext und dem schlussendlich Dargebotenen war jedoch über den gesamten Abend nicht erkennbar.

Die Frage ohne Antwort

Durch die klamaukhaften Vorgaben wurde insgesamt viel Handlung von der möglichen Realität des Publikums entfremdet und damit bedeutungslos gemacht, anstatt das Spiel mit aktuell Politischem zu verbinden. Natürlich ist das Genre des Science-Fiction ein spannendes, wenn es um die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragen geht. Aber einfach nur diese Form und seine typische Dramaturgie auf eine Improshow zu setzen reicht leider nicht, wenn es dabei weiterhin ums Nackt-Singen geht und das Publikum den größten Spaß dabei hat, dass da gerade von Improspielern Tiere auf der Bühne gespielt werden. Insgesamt enttäuschte das Konzept auf ganzer Linie, der Cast überzeugte und begeisterte von vorne bis hinten und es bleibt die große Frage nach dem Warum?

Menelaos Prokos und Rama Nicholas in der Zukunft / Foto: Sören Boller
Menelaos Prokos und Rama Nicholas in der Zukunft / Foto: Sören Boller
Thomas Jäkel
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