IMPRO 2013: Festival Jam Session – Long Edition

von Sören Boller:

Foto: Sören Boller
Foto: Sören Boller

BERLIN- Der Samstagabend des 23.3.13 sollte ein ganz besonderer – und speziell ein ganz besonders langer – im Ratibortheater werden. Auf speziellen Wunsch der FestivalteilnehmerInnen wurde diese Show in diesem Jahr das erste Mal ins Leben gerufen, und zwar ganz ohne Format. Das Gastgeberduo Björn Harras (Gorillas/Berlin) und Randy Dixon (unexpected production/Seattle) kündigte gleich zu Beginn und zur Überraschung des Publikums eine dreiteilige Show á je ca. 50 Minuten an. Ab dem zweiten Drittel sollten weitere FestivalteilnehmerInnen zur Stammbesetzung des Abends, bestehend aus Kirsten Rasmussen (Montreal Improv Theatre/Montreal), Lee White (CRUMBS/Winnipeg), Maja Dekleva (Kolektiv Narobov/Ljubljana) und den beiden Moderatoren dazu kommen und einen fulminanten Abschluss des Festivals vor der traditionellen Open Stage am Sonntag liefern.

So muss Impro!

Sogleich begann auch der erste Teil der Show, in der Björn Harras das Format „roter Faden“ ankündigte, mit seiner komplizierten Erklärung das Publikum allerdings eher verwirrte. Als Inspiration dafür ließ sich das Ensemble einen mitgebrachten Plüschbären zuspielen, der in jeder der gespielten Szenen eine Rolle einnehmen sollte. Neben ein paar kurz angespielten Szenenausschnitten entwickelten die Performer zwei wirklich bemerkenswerte Familiendramen, die beide jeweils so detailliert, schnell, ernsthaft und deswegen auch überzeugend gespielt wurden, dass sie als Musterbeispiel des improvisierten Theaters zu betrachten waren und sich hier auch kurzzeitig das Motto des Festivals ändern hätte können: „So muss Impro!“ – denn kein Regisseur, kein Dramaturg und kein klassischer Stückschauspieler hätte hier irgendetwas interessanter machen können, als diese aus dem Moment entstandenen bewegenden Ausschnitte aus dem Leben der Protagonisten.

Blocken? Versuchs doch mal!

Das zweite Drittel startete mit einer längeren Szene, inspiriert durch den Song „Stairway to Heaven“ , in der es um einen super-melancholischen und von Depressionen geplagten Protagonisten ging, der während eines Treffens mit einem alten Freund in einem Restaurant auf ein super-glückliches Paar trifft, welches seine Leiden weiter verschlimmerte. Obwohl es hier recht lange dauerte bis wirklich eine Handlung in Gang kam, verstanden es die Improvisateure durch geschicktes Spiel mit dem Status, die Spannung permanent aufrecht zu erhalten.

Interessant war hier vor allem der lockere, spielerische Umgang miteinander. Lee Whites Versuch während der Restaurant-Szene einen Monolog über seine Leiden zu halten wurde z.B. von Björn Harras sehr schnell unterbrochen mit der Anschuldigung, er könne hier im Restaurant nicht einfach einen Vortrag halten, was man als einen klassischen Impro-Block verstehen könnte. Es war aber gar nicht daran zu denken, dass damit irgendetwas kaputt gemacht werden könnte, ganz im Gegenteil: Der leidende Protagonist, obwohl um seinen Monolog gebracht, wurde dadurch noch viel tiefer in seine Leiden gestürzt und sein Charakter facettenreicher, da er aus den bis dahin ausgesprochenen Worten, die kaum mehr als eine Uhrzeit definierten, den weiteren Faden sponn. Weitere Versuche wieder einen Monolog zu halten wurden dann auch wiederum konsequent unterbunden, so dass kurz vor seinem Rauswurf aus dem Restaurant seine sehnsüchtig erwartete Partnerin auftauchte, die diese Leidensgeschichte sogar noch zu einem Happy End brachte.

Foto: Sören Boller
Foto: Sören Boller

Alle mit allem

Mit fortschreitender Zeit tauchten immer mehr Improvisateure aus dem Festivalensemble im Ratibor auf, die jeweils einfach mit in die Szenen einstiegen oder selbst die nächsten Formate vorschlugen. Das brachte zwischenzeitlich ein wenig Chaos auf die Bühne und einige der nun gespielten Formate gingen ins Klamaukartige über, was der Gesamtperformance an diesem Abend aber keinen Abbruch tat. Als Abrundung des Abends wurden dann noch von den jeweiligen Genreexperten „Improv Comedy Mumbai“ und „La Triviata/München“ jeweils eine kurze Bollywood-Geschichte und eine improvisierte Oper auf die Bühne gebracht. Wäre die Temperatur nach knapp 3 Stunden Improvisation im Ratibortheater nicht schon knapp an der Sauna-Grenze gewesen, hätte das Publikum sicherlich noch mehr Zugaben gefordert. Es war ein sehr schöner Abend, der sicherlich noch lange in der Erinnerung der Gäste des diesjährigen Improfestivals bleiben wird. Danke Gorillas, für dieses wunderbare Event!