IMPRO12: Wie hat Impro dein Leben verändert?

von Stephan Holzapfel:

“How did improv change your life?” Das war das Motto der Podiumsdiskussion am 31.03.12 im Rahmen des internationalen Festivals für Improvisation der Gorillas. Unten gibt es den kompletten Videomitschnitt, außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte.

Es diskutierten:

Lee White, The Crumbs (Kanada)

Sena Taşkapılıoğlu, Istanbulimpro (Türkei)

Jeron Dewulf, De Improfeten (Belgien)

Einig waren sich alle drei, dass Impro ihr Leben verändert habe. Lee erzählte, dass er durch Impro regelmäßig in Situationen käme, bei denen er nicht wisse, wie er mit ihnen klarkommen solle und dann schaffe er es doch. Das sei auch eine hilfreiche Erfahrung fürs sonstige Leben.

Für Sena verändert Impro das Verhältnis zum Publikum und das Auftreten auf der Bühne auch bei klassischen Theaterstücken. Impro hätte sie gelehrt, auch außerhalb der Bühne besser zuzuhören. Sie mag an Impro vor allem, dass man etwas tut, an das man nie gedacht hat. In einer Szene hätte jeder Spieler tausend Ideen, aber gespielt werde keine davon, stattdessen erschaffen sie etwas Gemeinsames. Interessant sei auch die Erfahrung, dass man noch lange nicht etwas tun kann, nur weil man es weiß.

Freiheit statt Regeln

Jeron betonte vor allem die Freiheit des Improtheaters. Er sei davon abgekommen, von “Regeln” zu sprechen, denn dann würden sich die Spieler hinter der Bühne gegenseitig Fehler vorwerfen oder sich geblockt fühlen. Die einzige Regel sei, dass man selbst, die Mitspieler und das Publikum Spaß haben solle. Wenn das nicht passierte, sollte man z.B. fragen, warum der Mitspieler unzufrieden mit einem war. Vielleicht lag es tatsächlich an einem selbst, vielleicht hat man aber auch einfach nur nicht seine Erwartung erfüllt. Dann sei es sein Problem, denn Impro bedeute ja, das Unerwartete zu erwarten.

Statt Regeln lehre er Techniken und Werkzeuge (“tools, not rules”). So sei es z.B. erfahrungsgemäß günstig, eine Szene positiv zu beginnen, aber auch mit einem negativen Anfang könnten großartige Szenen entstehen. Beim Impro könne man in jedem Moment rechts oder links abbiegen. Im echten Leben habe er deshalb starke Probleme mit Regeln, die ihm sinnlos erschienen und würde schon mal Polizisten in Diskussionen verwickeln.

Es sei aber nicht so, dass er im echten Leben genauso schlagfertig sei wie auf der Bühne, auf der eine andere Konzentration herrsche. Durch eine blöde Bemerkung sei er im Alltag ziemlich schnell aus dem Konzept zu bringen.

Lee hat zu Hause seinen Raum, in den niemand darf. Wenn er aber raus gehe, versuche er genauso offen zu sein wie auf der Bühne. Impro habe sein Leben aber auch zum Negativen verändert, denn er sei immer auf der Suche nach der nächsten großartigen Show. Das sei wie bei einer Droge, ständig müsse man mehr investieren und höhere Risiken eingehen, um das nächste Level zu erreichen. Die 10-20 Shows dazwischen seien manchmal hart, aber das sei es wert.

Improspieler brauchen Input

Lee meinte, man müsse ständig nach Dingen suchen, die einen inspirierten, er würde z.B. schon mal 8 Std. Star Wars gucken. Er habe oft Schüler, die die besten Improspieler werden wollten, dabei hätten sie einen Full-Time-Job in einer Bank. Er sage ihnen dann, dass sie alles für die Kunst, an die sie glauben, aufgeben müssten. Er selbst habe weder Ehefrau noch Kind noch Hund noch Auto.

Jeron hat seine Frau immerhin durchs Impro kennengelernt, ist inzwischen aber wieder geschieden. Auch er betonte die Wichtigkeit von Input – um etwas herauszukriegen muss vorher etwas hinein. Eine belgische Prominenten-Quizsendung würde ständig von Comedians gewonnen, weil die jeden Tag Zeitung läsen, er selber läse täglich drei.

Sena findet Inspiration vor allem durch das tägliche Leben. Lee meinte dazu, Winnipeg sei da nicht so anregend wie Istanbul.

Die Frage, ob man sagen sollte, dass man improvisiert, wurde einhellig bejaht. Aber kurz sollte es sein, in Deutschland werde vor der Show manchmal 5-10 min. geredet. Lee meinte, er wolle eine Show sehen und keinen Showmaster. “Less talk, more rock”. Viel Reden könne die Magie verringern. Jeron meinte, dass es einem einen Vorteil gäbe, wenn man sagt, dass man improvisiert. Das Publikum würde einem mehr Zeit geben und nicht wie bei einer Standup-Show alle 30 sec. einen Witz erwarten. Und wenn etwas Lustiges passiert, seien die Zuschauer überraschter und lachten schneller, weil es spontan erfunden wurde.

Immer wieder die gleichen Geschichten

Auf die Frage, ob sie schon mal die gleiche Geschichte mehrfach erzählt hätten antwortete Lee, dass seit Anbeginn der Menschheit immer wieder die gleichen Geschichten erzählt würden, z.B. Mann trifft Frau und sie verlieben sich oder nicht. Star Wars und Harry Potter z.B. seien im Grunde die gleichen Geschichten. Die Herausforderung sei, die gleiche Geschichte auf immer neue Art und Weise zu erzählen. Jeron meinte, dass es trotz allem genug Freiheiten gäbe. Vor 10 Jahren hätte er gesagt, dass er nie einen Gag wiederhole, weil man das von einem Improspieler erwarte, doch letztlich würde jeder Sachen wiederholen. Allerdings würden sie aus dem Moment heraus wieder neu erfunden, manchmal erinnere man sich auch gar nicht daran, sie schon einmal gespielt zu haben.

Wie wichtig Publikumsvorschläge sind, wurde unterschiedlich eingeschätzt. Sena fand sie sehr wichtig, denn sie wolle etwas mit dem Publikum zusammen machen. Lee meinte, dass von Leuten in einem dunklen Raum die miesesten Sachen kämen (Ort: Klo, Gegenstand: Dildo). Aber er habe Spieler gesehen, die wirklich gute Sachen vom Publikum kriegten und andere, die einfach mittendrin das Publikum fragten, weil sie selbst nicht inspiriert seien. Brauchen täte man Vorschläge nicht unbedingt.

Jeron sagte, er wolle in der Langform keine große Publikumsbeteiligung.

Ohne Idee auf die Bühne

Die Frage, ob sie auch mal leer auf die Bühne gingen, wurde von Lee und Jeron mit „ständig“ beantwortet. Lee vergäße oft die ersten Szenen, gehe ahnungslos auf die Bühne und warte, bis sein Partner Steve ihn anspräche und er sich so erinnere. In der Szene selbst habe er solche Momente allerdings nicht. Jeron meinte, ohne Idee auf die Bühne zu gehen könne einen aufmerksamer machen. Man solle darauf vertrauen, dass es immer irgendeinen Impuls gäbe, und sei es ein Knack aus dem Publikum

Echte Angst vorm Scheitern hätten die drei inzwischen nicht mehr, man sei auch vorher gescheitert und habe es überlebt. Sena meinte, man scheitere sowieso immer wieder, entscheidend sei, wie man damit umgehe. Lee regte an, das Scheitern nicht negativ zu sehen, es mache einen erfolgreich, wenn auch langsamer. Der einzige echte Fehler sei, nichts zu tun. Jeron habe beobachtet, dass manche bei Stress regelrecht erstarrten. Er habe gelernt, sich dann einfach wieder zu bewegen, dann ginge es auch weiter

Zwackelmann