IMPRO12: Springmäuse in Berlin

von Sören Boller:

BERLIN – Das Bonner Improvisations-Ensemble Springmaus gilt mit seinen fast 30 Jahren(!) als die älteste Impro-Gruppe Deutschlands. Obwohl das Ensemble in dieser beachtenswerten Zeit natürlich öfters gewechselt hat, weckte diese Ankündigung einige Erwartungen an den Auftritt am 29. März 2012 im Rahmen der IMPRO 2012. Die Show im Mehringhoftheater begann mit einer Animation des Publikums mit brunftschreienden Männern und stöhnenden Frauen, was schlimme Befürchtungen bezüglich des weiteren Verlaufs des Abends in mir hervorbeschwor.

Foto: Sören Boller

So verging die erste Hälfte mit bekannten und bewährten Theatersportspielen mit viel Publikumsbeteiligung. Die Springmäuse spielten den ersten Kuss eines Zuschauerpaares nach, ließen sich von zwei „Marionettenspielern“ aus dem Publikum bei einem ersten Date an den Fäden ziehen und sangen viele Songs in allen nur denkbaren Situationen. Dabei bemerkenswert, dass die Springmaus das Publikum wirklich forderte und unorthodoxe Vorgaben bevorzugte. So begnügten sich die Spieler in einer Genre-Switch-Szene mit nicht weniger anspruchsvollen Genres als einer chinesischer Oper, Kafka und Star Trek. Auch beim Gesang durfte es dann gleich mal der gregorianische Choral sein, der – genauso wie alles andere was die Springmäuse darboten – mit einer solchen Authentizität gesungen wurde, als wenn sie es schon 1000-mal gemacht hätten.

Überzeugende Charakter-Arbeit

Foto: Sören Boller

Nach der Pause sollten die „sportlichen“ Games einem zusammen mit Michael Wolf (Gorillas/Berlin) entwickelten Regieformat weichen. Dabei schlüpfte jeweils ein Schauspieler in die Rolle des Regisseurs, um je eine bewegende Liebesgeschichte zu inszenieren, die dann im Publikumsentscheid gegeneinander bestehen musste. Obwohl von den Regisseuren gelenkt, wurde an entscheidenden Wendepunkten der Geschichten immer wieder geschickt das Publikum miteinbezogen. Besonders berührt zeigte sich das Kreuzberger Publikum von der Figur „Kalle“, einem Neuköllner Klein-Ganoven, der sich unsterblich in eine bürgerliche Kunstliebhaberin verliebt hatte, ihr später aus dem Knast verhilft und letztendlich doch mit ihrem Mitbewohner das Weite suchte. Insbesondere die höchst unterschiedlichen und allesamt zu Ende gedachten Charaktere der zweiten Hälfte verliehen diesem Abend einen bei Impro-Shows nicht immer selbstverständlichen Tiefgang, der in keinster Weise zu Lasten des Amüsements ging. Fazit: besonders wertvoll!