IMPRO12: ‘In the Air’ – ein Live-Video-Impro Experiment

von Macro:

„It was an experiment“ laute der treffende letzte Satz von Moderator Randy Dixon im gut gefüllten English Theatre. Impro is „In the air“ – denn Szenen sollten nicht nur im, sondern auch außerhalb des Theaters gespielt und durch die Luft auf den Bühnenscreen übertragen werden. So zumindest der Plan.

 

Foto: Macro

Das große Ensemble des Abends wurde von Randy vorgestellt und jeder Person wie auch die Gruppe als Gesamtes erhielten Vorgaben, die jeweils in einem kurzen Monolog auf der Bühne angerissen wurden.  Begonnen wurde mit einer 4er-Gruppe, die im Theatergebäude (allerdings nicht auf der Bühne) blieb – Matthieu Loos, Julie Doyelle (beide Compagnie Combats Absurdes), Kirsten Sprick (hidden shakespeare) und Thomas Chemnitz (Gorillas). Die Teamvorgabe war ein Ende für die Szene: Kirsten wird entlassen werden. Die übertragenen Bilder zeigten ein Büro, in dem die 4 Spieler arbeiten.  Dieses Team war der Fallback für fehlende Übertragungsbilder der weiter entfernten und über Mobilfunk (iPhones) angebundenen Teams. Das Korsett des feststehenden Endes wie auch der vorbestimmten Heldin zeigte sich dafür als zu eng. Der Spannungsbogen blieb aus, gerade weil es bis ins Detail auf Bühne und Screen zu sehen war. Schönster Moment war für mich ein im Büro gesungenes Lied von Julie, zu dem Felix Raffel mit einem Lächeln auf dem Gesicht Musik auf der Bühne spielte. Der filmische und szenische Aufbau weckte direkte Assoziationen mit Vorabend-Soaps und verlor dabei gegen filmische Sehgewohnheiten mit aufwändigen Kamera- und Schnitttechniken.

Foto: Macro

Das Team mit Mike Fly aus Toronto hinter der iPhone-Kamera und als Spieler Jeron Dewulf (De Improfeten), Georg Schubert (das TAG, ur-theater) und Ronald Pederson (National Theatre of the World) waren auf Außenmission auf einem Parkplatz. Die flexibel geführte Kamera zeigte die Eskalation eines Streits. Die Bilder verstärkten die Düsternis und Abgründigkeit noch einmal. Wir verfolgten am Screen Ronald gefesselt und geknebelt im Straßenland Berlins. Dann fiel der Ton aus. Als bereits Toter auf die Bühne geholt sprach Ronald über den Tatort seiner Ermordung und sah auf dem Screen den Tätern nach der Tat in die Gesichter. Diese Mischung war sehr beklemmend und eindringlich. Dann brach auch die Video-Verbindung zu dem Team ab. Wobei interessanterweise der teilweise Tonausfall und auch die unstabile Videoverbindung durchaus sehr interessant waren, da das Publikum gezwungen war, fehlende Sequenzen selber zu ergänzen.

Die Gruppe um Kameramann Stephen Sim (CRUMBS) – Inbal Lori (Three Falling), Per Gottfredsson (Stockholms Improvisationsteater) und Barbara Klehr (Gorillas) – sah man aufgrund technischer Probleme gar nicht. Die Techniker im Studio waren wirklich bedauernswert. Randy überbrückte mit seinem Charme die Hiobsbotschaften. Das Team selbst wußte davon nichts und spielte für sich, unsichtbar fürs Publikum. In zwei kurzen szenischen Schlaglichtern auf der Bühne bekam dann auch das Publikum einen kurze Anrisse der Ereignisse.

Foto: Macro

Zum Abschluss gab es nochmal Bild und Ton von den beiden Mördern, denen die gekündigte und aufgewühlte Kirsten aus dem ersten Team in die Hände lief. Der Ton war bruchstückhaft und verdichtete die Szene zu ungeahnter Spannung. Das Auffüllen der Lücken erledigten unsere Publikumsköpfe hervorragend.

Mein Fazit: Impro heißt Risiken eingehen sowie andere und sich selbst kreativ überraschen. Und dabei Scheitern mit Freude. Der Abend scheiterte an vielen Stellen. Und erzeugte auch einige unerwartete großartige Momente. Und ich liebe das Festival dafür. Bitte macht es wieder.

2 thoughts on “IMPRO12: ‘In the Air’ – ein Live-Video-Impro Experiment”

  1. Die Wackelkamera hatte den “Blair Witch Effekt”, insbesondere in Kombination mit den Tonausfällen. Besonders gut hat mir auch die Doppeldeutigkeit Theater / Realität in der Szene mit Jeron Dewulf, Georg Schubert und Ronald Pederson gefallen: Als Ronald geknebelt am Boden eines Parkplatzes liegt, fährt ein Auto vorbei und hält an – seine Mitspieler: “Nein nein, alles in Ordnung, wir spielen Theater!” – sehr schön, wenn man sich vorstellte, er wäre wirklich geknebelt am Boden und seine Peiniger werden potentielle Zeugen los, indem sie ihnen weis machen, es sei Theater, was da gespielt werde. Schönes Spiel mit den Wirklichkeiten.

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