Bernhard Hoëcker – Interview mit einem darstellenden Kontinuum

von Thomas Jäkel:

In dieser Woche kann man den Comedian und Improvisierer Bernhard Hoëcker live in Berlin erleben. Mit seinem Programm “WikiHoëcker” gastiert er drei Tage in den Wühlmäusen. Thomas von Impro-News.de sprach bereits im letztes Jahr mit Herrn Hoëcker am Telefon. Da Herr Hoëcker nun in Berlin auftritt, haben wir dies endlich zum Anlass genommen, den Bericht des Gesprächs zu veröffentlichen.

Bernhard Hoëcker am Telefon

Im Zuge der Diskussion um die Fernsehen-Improformate “Ent oder Weder” sowie “Wir müssen reden” baten wir im Sommer einen in der Impro-Szene verwurzelten Protagonisten zu Wort: Bernhard Hoëcker. Wir verschickten also eine E-Mail mit 5 Fragen an seine Agentur, die uns freundlich mitteilte, dass Herr Hoëcker antworten würde, sobald er aus dem Urlaub zurück sei. Nach zwei Wochen ging es dann recht schnell. Unsere Redaktion erhielt eine E-Mail, in der uns die Agentur fragte, ob auch ein telefonisches Interview möglich wäre. Ein paar Stunden später hatte ich einen gut gelaunten und freundlichen Gesprächspartner am Apparat, der das Gespräch mit der Bitte eröffnete, dass wir uns doch Duzen sollten.

Gut. Damit hieß es nun für mich, nicht nur journalistisch spannende Fragen zu stellen und den Antworten zu lauschen, sondern auch effektiv mitzuschreiben. Und da ging schon das Scheitern los – in guter alter Impromanier. Deshalb ist dieser Artikel auch kein klassisches Interview, sondern mehr ein Erfahrungsbericht über ein sehr unterhaltsames Telefonat.

Das darstellende Kontinuum

Nach einem sehr freundlichem Vorgeplänkel stiegen wir in das Interview ein und ich stellte die erste der 5 an Herrn Hoëcker verschickten Fragen: “Wie sehen Sie sich selbst eher: als Improvisateur, Comedian oder etwas ganz anderes?” “Ich sehe mich als ein darstellendes Kontinuum.”, kam es wie aus der Pistole geschossen. Wir mussten das erste Mal herzhaft lachen. Seine Antwort hatte er abgelesen. Sie stammte noch von seinem Versuch die Fragen schriftlich zu beantworten. Nach einiger Fachsimpelei über die Bedeutung dieses Satzes verstand ich es. Herr Hoëcker sieht sich als jemand, der einfach Spaß daran hat, wenn andere sich freuen. Dabei geht es ihm nicht nur um Spaß. Er ist glücklich, als Künstler in verschiedenen Bereichen arbeiten zu können. Die Vielfältigkeit der Welt ist, was ihn interessiert und kreativ werden lässt. Schließlich gäbe es nicht die eine Sache, die einen glücklich macht.

Natürlich fragte ich ihn im Hinblick auf das Improvisieren, wie er dazu stünde. Die Improvisation sei einen großer Teil seiner Arbeit. Für ihn ist es spannend, am Anfang nicht zu wissen, was am Ende heraus kommt. Nur festere Text wären ihm einfach zu langweilig. Und dann gab er noch mit einem Schmunzeln zu, dass er improvisiere, weil er zu faul sei, feste Texte zu lernen.

Wenn mich was nicht packt, dann gucke ich es nicht.

Und damit waren wir zur dritten Frage gesprungen: “Was schätze Sie an improvisiertem Theater?” Neben dem immer wieder Neuen, das man in der Improvisation erleben kann, seien es besonders die Herausforderungen, vor denen man sich gesorgt hat, zu bestehen.

Aber zufrieden sei er nicht mit seinem Spiel. Er versuche während er improvisiert nicht zu analysieren, jedoch fällt ihm im Nachhinein immer wieder auf, was man hätte besser machen können. Wenn er die Möglichkeit hat, schaut er sich sogar die Fernsehaufzeichnungen seiner Sendungen an.

Etwas überrascht frage ich nach, ob er viel Fernsehen würde, was er fast etwas beschämt verneint. Am Tag komme er einfach nicht dazu und so schaut er nur ausgewählt, wenn er könne “ganz armselig” Verbotene Liebe, spannende Dokumentationen oder große Serien (wie 24) auf DVD. Manchmal setzt er sich aber auch einen Freitag Abend hin und betreibt “Marktanalyse” und schaut die Sendungen der Mitbewerber. Doch auch hier lautet sein Urteil: “Wenn mich was nicht packt, dann gucke ich es nicht.”

Genial daneben hat die Sichtweise der Zuschauer und Produzenten geändert

Anstoß für das Gesprächs war seine Sendung “Ent oder Weder” gewesen. Er berichtete, wie die Idee entstanden sei. Bei einer Debattiermeisterschaft saß er in der Jury und hatte an einer Spaßdebatte teilgenommen. Das Konzept zum Fernsehformat war dann auch so simpel wie möglich: Einer ist dafür und einer dagegen. Das hat die Kürze, die es für das Fernsehen bräuchte. So begannen wir über Impro im Fernsehen zu fachsimpeln.

Seiner Meinung nach hat die Sendung “Genial daneben” die Sichtweise der Zuschauer und Produzenten geändert. Es hat lang gedauert, bis die Leute verstanden hätten, dass die Comediens wirklich unvorbereitet sind. Besonders der Sender hat sich damit schwer getan, weil sie Angst hatten, dass es nicht funktioniert würde. Die Meinung des Sender war, dass man im Fernsehen nicht Leute sehen wolle, die nachdenken. Selbst in der Improszene gibt es immer noch Leute, die einfach nicht glauben wollen, dass das spontan ist, die erkennen angeblich sofort, “da ist doch alles abgesprochen.” Normaler Weise würde man bei Comedians von Gagdichte sprechen, was natürlich bei Improvisation nur bedingt stimmt. Das auch der Moment, in dem etwas Entsteht einen Unterhaltungswert hat, musste erst einmal verstanden werden.

Die Leute verstehen Improvisation nicht

Leider bin ich ja keine objektiver Journalist und so habe ich Herrn Hoëcker auch auf ein Lieblingsthema von mir angesprochen, auf improvisierte Langformen. Was das Fernsehen beträfe, so würde er gern einmal 10 Minuten am Stück spielen. Jedoch die Leute verstehen Improvisation nicht, weil sie sich nicht die Zeit am Fernseher nehmen. Sobald es komplizierter wird, schauen sie, was es sonst noch gibt und schalten weg.

Jedoch sollte man grundsätzlich kein Format ablehnen, denn man muss nur Glück mit der Zeit haben. Hans Rosenthal wollte angeblich eine Show produzieren, in der Leute unvorbereitet über die Woche reden. Es hat nicht funktioniert, weil die Zeit nicht reif dafür war. Schillerstraße ist vielleicht eine Langform, aber das müssen andere überlegen. Grundsätzlich müsste es aber möglich sein. Seiner Meinung nach jedoch haben Langform ein kleineres Publikum. Die Langform ist Jazz, die Improgames sind Pop. Die Frage ist, wo man einen passenden Platz findet. So ist zum Beispiel Ditsche eine Langform, die ihr Publikum und Ort gefunden hat. Er selbst würde gern eine langformatige Improvisation ausprobieren, aber er hat nicht die Erfahrungen mit langen Theaterstücken.

Anderes Publikum unter anderen Bedingungen

Meine 4. Frage zielte dann auch ganz in diese Richtung: “Was glauben Sie, welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit eine improvisierte Langform fernsehtauglich wäre?” Ihm sei am wichtigsten, dass er bei der Impro unterhalten wird. Die Zuschauer haben besonders viel Spaß, wenn sie das Geschehen aktiv beeinflussen könnten. Da sei nun das Problem einer Langform, denn die Leute können nicht zwischendurch einfach reinschalten. Fernsehdrehbücher setzen den Höhepunkt vor der Werbung, denn die Leute schalten schon bei der Ankündigung der Werbepause um.  Im Theater sitzt ein völlig anderes Publikum unter anderen Bedingungen als vor dem Fernsehen.

Eine improvisierte Langform sollte deshalb einfach ausprobiert werden. Aber auch über 2-3 Sendungen. Jedoch gibt es heutzutage die Möglichkeit, die Einschaltquote minutenweise in Echtzeit zu sehen. Bei den Privatsendern spielt die Einschaltquote eine wichtige Rolle, bei den Öffentlichen interessiert es nur den Produzenten. Ihn hingegen interessiert als Künstler die Qualität einer Sendung und so habe er auch schon Sendungen mit guter Quoten schlecht gefunden.

Man kann jedem gefallen, nur nicht gleichzeitig!

Abschließend fragte ich noch nach seinen Wünschen für die Zukunft, besonders was ihn noch reizen würde. Seine erste Antwort war, dass er einen Spielfilm improvisieren wollen würde und zwar an einem Stück, unterstützt von einem Erzähler. Doch auch als Schauspieler würde er gern in einem großen Kinofilm mitspielen. Dazu wünschte er sich noch mehr Zeit für Experimente und für Gelegenheiten, mit einem Impro-Ensemble zu spielen. Da sei es besonders  spannend, wie unterschiedlich die Gruppen sind. Manche spielen echtes “arte-Improtheater”. Am Ende fanden es dann 3 Improspieler im Publikum toll und der Rest dachte, es hat nicht funktioniert.

Und über die Überlegung des Funktionierens von Formaten, Sendungen und Abenden, kam er zu dem Schluss: Man wisse es schließlich nie, bevor man es nicht ausprobiert hat. Dazu erzählte er noch, dass er in Paderborn einmal 2 Stunden gespielt hatte und keiner lachte. Am Ende gab es Standing Ovations, denn die Leute fanden es sau geil, aber er hat es nicht gemerkt. “Man kann jedem gefallen, nur nicht gleichzeitig!” Ein Comdeyprogramm für eine Feng-Shui-Gruppe muss anders sein, als für die Metzgerinnung Darmstadt. Das Schwere daran ist, es sich selbst leicht zu machen.

Nach über einer Stunde Telefonat verabschiedeten wir uns freundlich. Leider konnte ich nicht mehr mitschreiben, als dies.

Bernhard Hoecker: “WikiHoëcker” in den Wühlmäusen Berlin vom 17.-19.01.2011!

Thomas Jäkel
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