Trainieren mit Musiker

Man mag für Improtheater ungern den Begriff “Probe” verwenden. Die meisten Spieler sprechen von Training. Sonst klingt alles so nach einstudieren und zu festen Strukturen. Aber halt! Wenn man mit dem Musiker trainiert, ist es durchaus eine Probe. Je nachdem, welche Auffassung man von der Rolle der Musik im Improtheater hat. Man kann feste Liedstrukturen, wie das allseits beliebte Strophe-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Schema proben. Die Struktur ist ja in fast allen Ensembles fest und die gleiche. Manche trauen sich sogar eine Bridge zu, also einen weiteren musikalischen Teil. Leider kleben dennoch zu viele an diesem Schema, statt auch bei Auftritten seiner musikalischen Inspiration freien Lauf zu lassen. Das Ergebnis ist zwar ein Lied in fester Form, das aber oft langweilig ist. Ist der Spieler auch noch nicht ganz sattelfest im Singen, kann man nur darauf hoffen, dass das Publikum wenigstens schon davon begeistert ist, dass man überhaupt mit Musik improvisiert.

Der Weg ist auch hier manchmal das Ziel.

Probebühne des Theaters Bielefeld (Dürkopp-Gebäude) mit markierter Dekoration cc: Andreas Praefcke Quelle: Wikimedia.org
Probebühne des Theaters Bielefeld (Dürkopp-Gebäude) mit markierter Dekoration cc: Andreas Praefcke Quelle: Wikimedia.org

Wie kann also eine Probe mit dem Musiker aussehen? Man versuche neue Formen zu finden. Inspirierende Formen, die offen genug sind, dass sie auch dem Musiker Spaß machen und die Möglichkeit geben die Impro einfach fließen zu lassen. Im Idealfall zu einer Art Refrain, einem Teil, der so gut gelungen und schön ist, dass man ihn am liebsten ewig wiederholten möchte. Das ist für das Publikum auch spannend! Der Weg ist auch hier manchmal das Ziel. Es ist spannend zu sehen und zu hören, wie sich ein Song entwickelt und zu einem schönen Höhepunkt gelangt. Das feiert das Publikum oft mehr, als eine feste Strophen-Refrain-Form. Das ist die Magie der Improvisation. Der Rest ist Abrufen von Strukturen. Wenn der Musiker dann auch noch beliebte Harmoniefolgen abruft, wird das Ganze nur langweilig. Auch hier kann man sich gegenseitig überraschen.

Außerdem ist es möglich verschiedene musikalische Genres auf typische musikalische Parameter zu untersuchen und gemeinsam auszuprobieren. Vielleicht gibt es eine bestimmte Art zu singen, wie in orientalischen Stilen. Oder es gibt einen prägnanten Rhythmus, den man erst einmal gemeinsam fühlen muss. Außerdem ist es gerade im Training möglich, die Informationsebene in Songs völlig auszuschalten und in Gromolo bzw. Kauderwelsch wunderschöne Laute zu formen und eine Kunstsprache zu singen. Dabei kann man sich dann ganz auf die Melodie oder den Rhythmus konzentrieren. Erwartet nur bitte nicht, dass der Musiker die Jukebox ist, wo man nur auf Start drückt und los geht’s. Gebt ihm auch die Möglichkeit sich auszuprobieren. Er ist nicht nur Grundlage, auf der ihr singt, sondern improvisiert mit Euch zusammen! Das Scheitern gehört auch hier dazu. Ungewöhnliche Harmoniefolgen sind kein Fehler, sondern vielleicht der mutige Versuch, mal etwas Neues zu machen. Lasst Euch darauf ein. Es ist oft spannender, als die beliebten Popmusik-Akkorde.

Außerdem habt Ihr im Training die Möglichkeit musikalische Stimmungen auf Euch wirken zu lassen, ohne gleich eine Szene zu spielen. Auch ein Imaginieren kann hilfreich sein für spätere Spielsituationen. Erzählt Euch von Euren Bildern, die im Kopf entstehen, wenn der Musiker verschiedenes ausprobiert. Die Betonung liegt auf Ausprobieren und nicht Abrufen! Auch als Musiker unterliegt man oft genug der Falle, immer wieder auf Bekanntes und Sicheres zurückzugreifen. Das Klavier hat nicht nur Tasten, sondern auch Saiten. Und im Grunde kann man mit diesem Holzschrank auch andere Geräusche hervorrufen oder sogar trommeln. Ob auf den Tasten oder auf dem Deckel. Alles trägt zu den Bildern im Kopf bei.

Bezahlt ihn!

Bei meinem letzten Workshop wurde ich gefragt, wie man Musiker dazu bringt, mit Improgruppen zu trainieren und aufzutreten. Es gibt kurze Antworten dazu:

1.      Seid als Improgruppe inspirierend für den Musiker und gebt ihm das Gefühl des gemeinsamen Improvisierens.

2.      Tretet auf und gebt ihn bei Auftritten seine Freiheiten.

3.      Bezahlt ihn!

Reichbanknote fünf Billionen Mark, 1923, Quelle: Wikimedia.org
Reichbanknote fünf Billionen Mark, 1923, Quelle: Wikimedia.org

Auch wenn Geld der schlechtere Motivator ist, manchmal hilft es einen Musiker zu finden, wenn schon die intrinsische Motivation nicht funktioniert. Vor allem Amateurgruppen, die Improtheater als Hobby betreiben, scheuen sich davor den Musiker zu bezahlen. Denkt daran, dass der Musiker wahrscheinlich viele Jahre in seine Ausbildung investiert hat. Nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Und überprüft, ob ihr auch soviel in Eure Ausbildung zum Improspieler getan habt. Wenn Euch das Argument der Bezahlung abschreckt von der Musik beim Improtheater bleibt Euch immer noch der große Bereich des A-Capella-Singens. Aber auch dafür müsstest Ihr mindestens ein Mal den Musiker bezahlen, der Euch dafür den Workshop gibt.

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Stephan Ziron ist Musikwissenschaftler und Improvisationsmusiker. Er ist Ensemblemitglied des Improvisationstheaters Paternoster Berlin

www.hear-and-now.de | www.stephanziron.de

Thomas Jäkel
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