Total entspannt und voll in Fahrt – die Verstörten Wunschkinder begeistern ihr Publikum

von: Stephan Holzapfel


Publikums-Stimmen zum Auftritt aus der Pause und direkt nach der Show:

Meister im Geschichtenerzählen sind die Verstörten Wunschkinder – wie die meisten Improgruppen – nicht: Szene nachts am See, Mann und Frau ziehen sich aus und wollen schwimmen, da kommt die Mutter des Mannes und stört entschieden die Zweisamkeit. Der Konflikt ist klar: der Mann muss sich von der Herrschaft seiner Mutter befreien, wenn er seine Beziehung leben will. Schafft er es oder verliert er seine Freundin? Doch das wird allenfalls angespielt, es gibt mehr Geplänkel (“Wir sezieren doch bloß Frösche für Biologie”) und Sexualitäten (“Ich muss nur schnell meine Muschi rasieren”). Am Ende bringt die Mutter ein Diaphragma vorbei – der Konflikt ist verschwunden, aber wie und warum? Man erfährt es nicht.

Trotzdem.

Trotzdem sind die Verstörten Wunschkinder an diesem Abend (19.03.10) auf ihre Art großartig. Das Bühnenrausch ist prall gefüllt, die Luft stickig, die Stimmung super. Auch der kritische Kritiker langweilt sich seltenst. Denn obwohl so mancher Szene die dramatische Konsequenz fehlt, sind die Spieler ständig für einen überraschenden Einfall gut, so dass die “Was passiert als Nächstes”-Spannung kaum je abreisst. Selbst das “Diaphragma” wird zum erfolgreichen Szenenende, da es ein früherer, abgelehnter Vorschlag aus dem Publikum war, die Überraschung ist wieder mal gelungen.

Das Energielevel ist hoch an diesem Abend, vor allem in der ersten Hälfte, die Spiellust ist deutlich spürbar, besonders Sascha wirft sich mit Verve in die Szenen (gelegentlicher Kommentar einer älteren Dame hinter mir “Der ist wirklich gut”). Das Theatersport-Setting ist deutlich ansprechender als allgemein üblich: Statt wie in der Regel hinten in der Ecke sitzen die Spieler fast mittig und frontal zum Publikum auf ihren Bänken, es gibt die blaue und die rote Mannschaft (mit entsprechenden T-Shirts, die alle den Gruppennamen tragen), das Publikum benennt die Teams, diese entwickeln zu ihrem Namen eine gemeinsame Bewegung, die bei jeder Szenenbewertung gezeigt wird. (Die “Quacksalber” schütteln z.B. pantomimisch Pillendöschen, die “Alohas” machen Südsee-Tanzbewegungen.) Man lacht und weint auf der Bank, neckt sich, triumphiert, schmollt – alles ist Show und wirkt doch nicht aufgesetzt, besonders Suse kann das sehr beeindruckend.

Auch während der Szenen spielen die Wunschkinder gelegentlich auf mehreren Ebenen: Anne z.B.  zeigt dem Publikum durch ihre Mimik schon mal, dass sie ein Angebot überrascht oder sie gerade verzweifelt auf einen Einfall wartet, sie kann diese Metaebene ungewöhnlich komisch kommunizieren. Und als sie als Gebärdendolmetscherin das Wort “Berge” übersetzt, indem sie die Kontur ihrer Brüste nachzeichnet, jubelt das Publikum begeistert – und das wohl nicht nur wegen des üblichen Sex-Lachreflexes, sondern vielleicht auch wegen der Entspanntheit der Spielerin, die ebenso selbstverständlich bereit ist, ihre Segelohren als optischen Effekt einzusetzen. Die Spieler fühlen sich auf der Bühne sichtlich wohl und das überträgt sich.

In der Pause schreibt das Publikum Herausforderungen für die Mannschaften auf Zettel, der Moderator wählt dann für jede Gruppe eine Aufgabe aus. Dass die blaue Gruppe “eine Frühlingsszene ohne sexuelle Anspielungen” spielen soll und Moderator Dominik die Spieler explizit um eine “sinnvolle” Geschichte bittet, lässt vermuten, dass die Gruppe ihre Schwächen durchaus kennt und daran arbeitet. Richtig so! Denn dass die Verstörten Wunschkinder einen eigenen Stil haben, liegt an ihren Stärken und nicht an ihren Schwächen.

Die Verstörten Wunschkinder spielen jeden dritten Freitag im Monat im Bühnenrausch.

Zwackelmann

2 thoughts on “Total entspannt und voll in Fahrt – die Verstörten Wunschkinder begeistern ihr Publikum”

  1. Hi Stefan: Die Audio-Kommentare finde ich klasse! Da kommt richtig ein wenig Live-Stimmung rüber.

  2. die Idee mit den Live-Stimmen vom Abend ist absolut super. Das gefällt mir sehr! Weiter so! Macht richtig Spaß.

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