Bühnenreif: ZWIEBELFISCH mit Imperfekt im DDR-Museum

von Marco:
Am Donnerstag (21.01.2010) stellte das Improtheater ZWIEBELFISCH im DDR-Museum Berlin ihr neues Format „Imperfekt“ vor. Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus Improtheater und ernsthafter Geschichtsvermittlung. Die Idee dieses Edutainment-Programms ist es, sich dem Thema DDR zunächst spielerisch improvisierend zu nähern und das Gesehene anschließend aus geschichtswissenschaftlicher Sicht zu analysieren und zu ergänzen.

Thomas und Lars als Grenzer

Über 70 Zuschauer im bis zum letzten Platz gefüllten Besucherzentrum des DDR Museums durften dabei zunächst aus einer DDR Polizeimütze Kärtchen mit einem von 22 Themengebieten wie Staatsgrenze, Wirtschaft, Produkte, Stasi, Freizeit usw. ziehen. Dies sind die erweiterten Kategorien der Ausstellung des DDR Museums. Zu dem jeweils gezogenen Themengebiet durfte das Publikum anschließend 3-5 Begriffe vorgeben, welche die beiden Impro-Spieler dann auf die Bühne zu bringen hatten. Zur Kategorie „Staatsgrenze“ wurden beispielsweise die Begriffe Schäferhund, Todesstreifen und Schmuggel genannt.

Dr. Stefan Wolle, Historiker

Dies führte dann zu einer Szene zweier Soldaten der DDR Grenztruppen im Morgengrauen an einem Grenzübergang, bei dem der Untergebene aufgrund eines persönlichen Erlebnisses (der eigene Schäferhund verstarb beim Auslauf auf dem Todesstreifen) mit der staatlich verordneten harten und unpersönlichen Linie gegenüber den Grenzgängern hadert. Dies führt natürlich zu Probleme mit dem Vorgesetzten und gibt dem Historiker Dr. Stefan Wolle eine gute Vorlage, um das Publikum über die tatsächlichen Verhältnisse an der Grenze aufzuklären. Das macht Spaß, weil man hier statt eines trockenen Geschichtsunterrichts mit teils humorvollen, teils aber auch unter die Haut gehenden Szenen aus dem (imaginierten) DDR-Alltag konfrontiert wird. Ein frei vertanzter „Lipsi“ und das Wundermaterial „Dederon“ erhielten einen Auftritt und ließen für kurze Zeit die Vergangenheit auferstehen. Die beiden Zwiebelfische Thomas Jäkel und Lars Labryga, übrigens ein „Ossi“ und ein „Wessi“, brachten augenzwinkernd ihre eigenen Erfahrungen, Vorurteile, Kenntnisse und – wo das nicht ausreicht – Vermutungen über die DDR mit in ihr Spiel ein.

Simon am Saxophon

Sehr einfühlsam und kenntnisreich kommentierte Stefan Wolle jeweils das Gesehene, lobte realistisch dargestellte real-sozialistische Gegebenheiten und verwies „Fehler“ in das Reich der Legenden. Besonders schön, dass sich ausgehend von diesen Korrekturen und Erklärungen teilweise wieder neue Szenen ergaben, so dass ein schönes Ping-Pong Spiel zwischen darstellender Kunst und Wissenschaft entstand. Wolle machte das Ganze sichtlich Spaß und er interagierte entspannt mit den Spielern auf der Bühne. Musikalisch untermalt wurde der Abend zusätzlich von Simon Schönfeld mit Geige und Saxophon.

Für meinen Geschmack hätte die Gewichtung ruhig noch ein wenig mehr in Richtung der historischen Hintergrundinformation gehen können: Da steckt noch mehr Potential drin! Aber man darf nicht vergessen, dass sich so ein Gespann aus Improspielern und Wissenschaftler erst einmal an einander gewöhnen muss.

„Imperfekt“ war zunächst als Experiment gedacht. Nach dem großen Erfolg – das Publikum (über der Hälfte hatte noch nie Improtheater gesehen) war jedenfalls sehr angetan – scheint eine Fortführung des Programms möglich. Ich würde das jedenfalls begrüßen!

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